Der Schweizerische Anlegerschutzverein (SASV) setzt sich für «Transparenz» auf dem Schweizer Kapitalmarkt und für die «Förderung und Durchsetzung» der Anlegerrechte ein. So steht es auf der Website des Vereins. Doch Transparenzregeln scheinen für ihn selbst nicht zu gelten.
Ein online einsehbares Mitgliederverzeichnis existiert nicht. Auch die Statuten des Vereins sind nicht einsehbar. Für Interessierte ist es seit Monaten nicht möglich, dem Verein beizutreten. Auf dem entsprechenden Online-Anmeldeformular heisst es: Aus «organisatorischen Gründen» sei es derzeit nicht möglich, weitere Mitglieder aufzunehmen.
Unklar ist auch, wo Gisèle Vlietstra, Präsidentin und Initiatorin des Vereins, ihren offiziellen Wohnsitz hat und damit ihre Steuern zahlt. Das ist nicht unbedeutend: Laut «Handelszeitung» soll die Finanzfachfrau früher in Toppositionen bei Milliardenkonzernen wie Johnson & Johnson und Procter & Gamble gearbeitet haben und über ein «stattliches Vermögen» verfügen. Ihr Aktienpaket bei Meyer Burger soll einst 20 Millionen Franken schwer gewesen sein.
Ferienwohnungen in Monaco
Im Handelsregister ist als Wohnort Gross bei Einsiedeln SZ angegeben. Dort scheint die Rächerin der Kleinaktionäre aber schon lange nicht mehr zu wohnen. Recherchen zufolge hat sich Vlietstra ins steuerbefreite Monaco abgesetzt. Dort hat sie eine Wohnung am Boulevard Princesse Charlotte. Am Briefkasten hängt ein Zahlenschloss, auf einem Klingelschild steht ihr Name.
Im Fürstentum scheint sie ins Immobiliengeschäft eingestiegen zu sein. Laut einer Website vermietet sie sieben Wohnungen in Monaco und den umliegenden Gemeinden. Die Objekte werden auch auf Airbnb und Booking angeboten. Dort wird angegeben, dass sie in Monaco lebt. Unter den Mietobjekten befindet sich auch die Wohnung, in der sie ihren Wohnsitz hat.
Permanent scheint sie also nicht im monegassischen Steuerparadies zu leben. Zumindest zeitweise dürfte sie sich auch in der Schweiz aufhalten. Wo, ist unklar. Ihre Post wurde bis Januar 2024 an eine Adresse in Sempach LU umgeleitet. Blick hat Vlietstra mehrere Fragen zum Verein und zu ihrem Aufenthaltsort gestellt. Die Anfragen an drei verschiedene E-Mail-Adressen blieben unbeantwortet. Auch auf einer französischen Handynummer war sie nicht erreichbar.
Kampf um Meyer Burger
Die Gründung des Anlegerschutzvereins steht in engem Zusammenhang mit dem Machtkampf um die Kontrolle bei Meyer Burger. Bereits 2019 schlossen sich rund 50 Investoren zusammen, um das alte Management aus dem Unternehmen zu drängen. Unter den Aktionären war auch der deutsche Financier Urs Fähndrich, der mit einer Strafanzeige wegen Bestechung für Aufsehen sorgte. Fähndrich soll Vlietstra in die Gruppe «eingeschleust» haben, schrieb einst die «Finanz und Wirtschaft».
Die Gruppe konnte das Management absetzen und löste sich in der Folge auf. Im Zuge des Machtwechsels kam es auch zu Veränderungen im Verwaltungsrat. Fähndrich zog im Frühjahr 2020 in das oberste Führungsgremium ein. Es kam zu Spannungen, und nur ein Jahr später war er schon wieder weg. Kurz darauf, im Sommer 2021, wurde der Anlegerschutzverein gegründet – mit Vlietstra als Präsidentin.
Seither schiesst dieser aus allen Rohren gegen die Entscheide von Meyer Burger. Urs Fähndrich, der ebenfalls in Monaco lebt, hat im Verein keine Rolle. Pikant ist aber: Der Generalsekretär des Vereins, Arik Röschke, ist über mehrere Firmen mit dem Ex-Meyer-Burger-Verwaltungsrat verbunden. So sitzt er gemeinsam mit ihm in den Verwaltungsräten der Gold Partners AG und der Clarus AG. Beide Firmen haben ihren Sitz in St. Gallen. Dort ist auch der Anlegerschutzverein eingetragen.
Schwierige Verteidigung
Bekannt wurde der Anlegerschutzverein vor allem im Zusammenhang mit dem Notverkauf der CS an die UBS im März 2023. Viele CS-Aktionäre fühlten sich über den Tisch gezogen, weil die UBS nur 78 Rappen pro Aktie bezahlte. Es war klar, dass der umstrittene Drei-Milliarden-Deal den Juristen viel Futter geben würde.
Der SASV vertritt nach eigenen Angaben 1500 Kleinaktionäre der CS. Deren Rechte zu verteidigen, erweist sich scheinbar als schwieriger als gedacht. Jedenfalls hat sich der SASV diese Woche mit dem Westschweizer Anwalts-Start-up Legalpass zusammengetan, das ebenfalls Kleinaktionäre vertritt.