Die schlimmsten Befürchtungen sind zum Glück nicht wahr geworden: Bisher gab es in Schweizer Spitälern trotz Corona keine Horrorszenen wie in Italien oder Spanien. Deutlich düsterer dagegen präsentiert sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Beschäftigungssuchenden schnellte während der Krise in die Höhe. Zugleich beantragten Unternehmen im April für 37 Prozent aller Mitarbeiter Kurzarbeit.
Diese Massnahme soll verhindern, dass Firmen ihre Angestellten wegen temporärer Schwierigkeiten entlassen müssen – und sie soll den Anstieg der Arbeitslosigkeit dämpfen. Die aber nahm, gemessen am Vorjahr, im April gleichwohl um 46'000 Personen zu. Das entspricht einem Anstieg von 43 Prozent oder der gesamten Einwohnerzahl einer Stadt wie Biel BE.
Auswirkungen der Krise auf Arbeitslose
Eine Studie der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich und der Universität Lausanne hat nun untersucht, wie sich die Krise auf jene Menschen auswirkt, die derzeit auf Arbeitssuche sind.
Dazu wurden zwischen 21. April und 10. Mai rund 850 Stellensuchende in der ganzen Schweiz befragt, zwei Drittel von ihnen waren ohne Arbeit, ein Drittel dagegen hatte eine bezahlte Beschäftigung. Dabei zeigte sich: Wer schon vor der Krise arbeitslos war, suchte während des Lockdowns weniger intensiv nach einem neuen Job.
Wendeten die Befragten vor der Krise 5,7 Stunden pro Woche für die Arbeitssuche auf, war es im April/Mai eine ganze Stunde weniger: 4,7 Stunden. Zugleich nahm die Anzahl von Inseraten ab, die für sie infrage kamen.
Waren sie vor der Krise noch auf drei interessante Stellen pro Woche gestossen, war es danach im Schnitt nur noch knapp eine. Ein bedenklicher Befund, urteilt Michael Siegenthaler (35), Co-Autor der KOF-Studie. «Wir sehen, dass sich die Leute entmutigt aus der Arbeitssuche zurückziehen», analysiert der Arbeitsmarktökonom.
Angst vor Corona
Interessant überdies, dass die Angst vor einer Corona-Erkrankung einen entscheidenden Einfluss auf das Suchverhalten hat. «Personen, die sich stark vor einer Infizierung fürchten, haben ihre Stellensuche am deutlichsten heruntergeschraubt», so Tobias Lehmann (29) vom E4S Center der Uni Lausanne, ebenfalls Co-Autor. «Sie fürchten sich offenbar davor, sich das Virus beim Bewerbungsgespräch oder bei der Arbeit einzufangen.» Dies gab rund ein Fünftel der Befragten an.
Doch nicht nur die Angst vor Corona, auch die Familiensituation hatte Einfluss auf das Ausmass der Stellensuche. Mütter wendeten während der Krise im Schnitt pro Woche eine Stunde weniger dafür auf. Demgegenüber zeigte sich bei Vätern, deren Kinder im selben Haushalt leben, kein Unterschied. «Das legt nahe, dass sich der Aufwand für die Kinderbetreuung auch bei den Stellensuchenden ungleich verteilt.» In anderen Worten: Sogar während des Lockdowns, obwohl also beide Elternteile überwiegend zu Hause waren, übernahmen die Mütter einen grösseren Teil der Betreuung.
Keine negativen Auswirkungen auf die Suchanstrengungen
Zusätzlich gingen die Studienautoren der Frage nach, wie sich der Entscheid des Bundes auswirkte, wonach Bezüger von Arbeitslosengeld während des Lockdowns keine Stellen suchen müssen. Der überraschende Befund: Zwar ging die Intensität der Jobsuche bei den Betroffenen zurück. Doch im Vergleich zu jenen Arbeitslosen, die ohnehin keine Taggelder erhalten, war der Rückgang weniger stark. Die Autoren folgern, die Massnahme des Bundes habe «keine entscheidend negativen Auswirkungen auf die Suchanstrengungen» von Taggeldbezügern gehabt.
Trotz dieser teilweise optimistischen Note ist klar: Um die Jobaussichten für Arbeitslose steht es derzeit ziemlich schlecht. So rechnen die KOF-Ökonomen mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 4,7 Prozent bis Ende Jahr, wie es in einem am Freitag publizierten Bericht heisst. Dies, weil in den nächsten Monaten Betriebsschliessungen und Umstrukturierungen zunehmen dürften. Dazu kommt vielerorts ein Anstellungsstopp.
Immerhin: Für das Jahr 2021 rechnen die Ökonomen im Durchschnitt mit einer leicht tieferen Quote von 4,3 Prozent.