Angestellte warten auf ihr Geld
Schweiz-Ausflug war für OVS ein 300-Millionen-Fehler

Ein Jahr nach dem Ende des Modehändlers OVS haben sich Forderungen von 288 ­Millionen Franken angehäuft. Vermieter und Ex-Angestellte warten auf ihr Geld.
Publiziert: 01.11.2019 um 14:24 Uhr
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OVS-Chef Stefano Beraldo hat mit seinem Schweiz-Abenteuer 300 Millionen Franken in den Sand gesetzt.
Foto: Thomas Meier
Andreas Güntert («Handelszeitung»)

Noch einmal blickte Stefano Beraldo jüngst zurück. Der Kauf des Schweizer Modeunternehmens Charles Vögele sei ein Fehler gewesen, sagte der Chef des italienischen Modehändlers OVS: «Das war ein falscher Schritt», zitierte ihn das Fachblatt «Textilwirtschaft» anlässlich eines Auftritts in Mailand.

Im Herbst 2016 hatte OVS mit weiteren Investoren die serbelnde Schweizer Modekette übernommen. Und obwohl OVS in der Schweiz schon einmal Schiffbruch erlitten hatte, gab man sich op­timistisch, diesen Markt im zweiten Anlauf zu knacken.

Ohne Erfolg, wie eine geschockte Öffentlichkeit und eine entsetzte Schweizer OVS-Belegschaft Mitte 2018 erfuhr: Der Muttergesellschaft Sempione Fashion ging die Luft aus, sie ging in Nachlassstundung, OVS leitete den Schweizer Rückzug ein. Beraldo schickte in Milano ein lahmes «Scusa» hinterher: «Mit Charles Vögele bot sich uns die Chance, schnell im Ausland präsent zu sein.

Doch dem Unternehmen ging es schlecht, es fehlte ihm an Sauerstoff», so Beraldo, «deshalb haben wir die Chance am Ende leider nicht nutzen können.» Kein Wort davon, dass man Erfolge in neuen Märkten in den allerwenigsten Fällen ruckzuck erzielen kann.

Rund 2100 Forderungsanmeldungen

Im Jahr eins nach dem Schweizer OVS-Arrivederci zeigt sich, was Beraldos Fehler ausgelöst hat: Hunderte Geschädigte, eine Lawine von Forderungen. Gemäss «Bote der Urschweiz» lagen im September 2018 Forderungen in einer Gesamthöhe von 24,7 Millionen Franken vor; weil damals noch nicht alle Anmeldungen eingegangen waren, rechnete man zu jener Zeit mit circa 35 Millionen Franken Schuldgeld. Das war viel zu tief gegriffen.

Laut einem aktuellen Zirkular der Holenstein Rechtsanwälte AG, die als ausseramtliche Konkursverwaltung eingesetzt wurde, beläuft sich das Total der Forderungen auf 288 Millionen Franken. Rund 2100 Forderungsanmeldungen seien eingegangen, davon über 1000 von ehemaligen Mitarbeitenden. Besonders hoch sind dabei die Forderungen in der dritten Klasse ausgefallen, sie betragen über 260 Millionen Franken.

Darin sind auch Mieten enthalten, die durch den überhasteten Abzug von OVS nicht mehr bezahlt wurden. Das Total der Forderungen könnte sich noch steigern, heisst es im Zirkular: «Die erwähnten Zahlen verstehen sich nicht als abschliessend und reflektieren lediglich den aktuellen Bearbeitungsstand.»

Hauptaktivum: 15 Millionen

Gefordert wird also viel. Zu holen aber gibt es offenbar wenig. Als werthaltiges Hauptaktivum wurde ein Bank-/Kassaguthaben «in der Grössenordnung von 15 Millionen Franken» ausfindig gemacht. Was der «Bote der Urschweiz» so auch schon im Herbst 2018 notiert hatte. Der ausseramtliche Konkursverwalter, verstärkt durch ein Team von Studenten, arbeitet weiter an der Causa. Ziel ist es, nächstes Jahr einen Kollokationsplan zu publizieren. Was viele Gläubiger dabei hoffen: dass noch weitere Vermögenswerte ans Tageslicht kommen.

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