Ein heiss erwarteter Brasilianer und eine Schweizer Premiere
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Morgengruss vom WEF:Heiss erwarteter Brasilianer und Schweizer Premiere

Am WEF gehts nicht nur um Klima und Frauenrechte
Auf der Bühne das Gute, hinter den Kulissen das Geschäft

Vor den Kulissen unterscheidet sich das WEF heute kaum von einem Gewerkschaftskongress. Dahinter aber schon.
Publiziert: 22.01.2019 um 01:21 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2019 um 08:00 Uhr
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WEF-Kritiker Oliver Classen: Er sieht das offizielle Programm nur als «Nebelpetarde».
Foto: Marion Nitsch
Guido Schätti
Guido SchättiStv. Chefredaktor BLICK

Die UBS will die eigenen Kunden erziehen. Sie sollen beim Investieren nicht nur auf die Rendite schielen, sondern auch die Entwicklungsziele der Uno voranbringen. «Nachhaltige und ethische Investments müssen zur Normalität werden», forderte Bankpräsident Axel Weber (61) gestern bereits zum dritten Mal in Folge am WEF in Davos GR.

Da will die zweite Schweizer Grossbank nicht zurückstehen. Die Credit Suisse präsentiert heute einen Report über die globale Schuldenblase. Die Bank verdient zwar mit Krediten ihr Geld, dennoch gibt sie sich besorgt über das Ausmass.

UBS und CS sind keine Ausnahmen: Die WEF-Teilnehmer wollen die Welt retten. Auch Multis wie Microsoft, Salesforce oder ABB werben in Davos mit Nachhaltigkeit. Inhaltlich ist das WEF mittlerweile kaum mehr von einem Kongress von Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu unterscheiden.

Wie ist das möglich? Noch vor wenigen Jahren galt über linke Kreise hinaus als ausgemacht: In Davos trifft sich Anfang Jahr die neoliberale Elite und teilt die Welt unter sich auf. Und jetzt sorgen sich Banker um soziale Gerechtigkeit, Industrielle warnen vor dem Klimawandel, Politiker kämpfen für Frauenrechte, und alle zusammen wollen die negativen Folgen der Globalisierung bekämpfen.

Schon die Ölkrise hinterliess Spuren

Der Wandel erfolgte schubweise. Klaus Schwab (80) gründete das Treffen 1971 quasi als Selbsthilfegruppe von deutschen und Schweizer Mittelständlern, die von der Sorge getrieben waren, den Anschluss an die USA zu verlieren. Doch schon während der Ölkrise habe die Konferenz einen kapitalismuskritischen Unterton bekommen, sagt Schwab-Biograf Jürgen Dunsch (70). «Der Club-of-Rome-Bericht über die Grenzen des Wachstums war 1973 in aller Munde.»

Der nächste Schritt kam nach der Jahrtausendwende. Die Proteste der Globalisierungskritiker bedrohten das WEF in seiner Existenz. Die Bilder der Gewalt verstörten die Öffentlichkeit, Politiker fragten sich, ob die Schweiz noch der richtige Austragungsort sei.

Die Finanzkrise änderte alles

Schwab reagierte: Er gründete 2003 das Open Forum, band Politik, Kirche und die NGO mit ein. «Schwab war seinen Kritikern häufig einen Schritt voraus», sagt Oliver Classen, Sprecher der Entwicklungsorganisation Public Eye.

Noch einschneidender war die Finanzkrise. Die programmatische Ausrichtung verschob sich nach links. Auf den Podien dominieren heute nicht mehr Wirtschaftsliberale, sondern Interventionisten, denen es gar nicht zu viel Staat geben kann. «Die Finanzkrise war der endgültige Schlag gegen die liberalen Kräfte», sagt Dunsch. «Sie zeigte, dass der Markt allein die Wirtschaft nicht regulieren kann.»

Das Entscheidende geschieht auf der Hinterbühne

Allerdings: Die Diskussionen im Kongresszentrum und die Empfänge der Firmen sind nur die eine Seite der Davoser Realität. Und für viele nicht die wichtigste.

Die meisten Manager nehmen an keiner Diskussion teil. Sie sind vollauf damit beschäftigt, in ihren Pavillons Geschäfte abzuwickeln. Um gleich viele Leute zu treffen wie in vier Tagen Davos, müssten sie einen Monat um die halbe Welt reisen. 

«Das offizielle Programm dient nur als Nebelpetarde», sagt Kritiker Classen. «Es verwedelt, was das eigentliche Geschäftsmodell des WEF ist: Deals schliessen und die Politik auf Linie bringen.»

Dunsch sieht das weniger drastisch. Natürlich hätten die Manager in erster Linie den Erfolg ihres Unternehmens im Auge. «Auch bei ihnen hat aber ein Umdenken eingesetzt», sagt er. «Die meisten europäischen Manager sind heute sensibilisiert für ökologische Themen und Fragen der Verteilungsgerechtigkeit.»

Schwabs nächste Herausforderung

Für den Verfasser eines Buches über die Entwicklung des WEF ist die Geschichte längst nicht abgeschlossen. «Schwab hat eine grosse Herausforderung vor sich: die Einbindung der Rechtspopulisten.»

Auf den ersten Blick eine Unmöglichkeit: Ideologisch mache die Teilnahme am WEF für Populisten keinen Sinn, sagte der Politologe Francis Fukuyama (66) gestern im BLICK. «Das Prestige des WEF hat sich in unseren populistischen Zeiten geändert.»

Doch die Praxis sieht anders aus: Donald Trump (71) kam letztes Jahr nach Davos und wäre erneut gekommen, hätte ihn nicht der Shutdown daran gehindert. Die Lücke füllt nun der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro (63), ein Rechtsaussen-Politiker mit Sympathien für die Militärdiktatur. 

Was zeigt: Trump und Bolsonaro mögen ideologisch noch so weit weg vom Davoser Mainstream liegen. Die Aussicht auf einen glamourösen Auftritt auf der Davoser Weltbühne und auf gute Deals danach überbrückt alle Gräben.

WEF 2020

Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.

Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.

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