Mit einem gewaltigen Glockengeläut hat Google gestern seinen neuen Standort in der Zürcher Sihlpost eröffnet. Post-Chefin Susanne Ruoff übergab symbolisch die Schlüssel, Bundesrat Johann Schneider-Ammann trat als Überraschungsgast auf. Die Schweiz ist der grösste Forschungsstandort von Google ausserhalb der USA. Schon jetzt arbeiten 2000 Mitarbeiter – die Googler werden hier Zoogler genannt – in Zürich. Mit dem zusätzlichen Standort beim Hauptbahnhof werden es bis zu 5000 sein.
Wie wichtig die Schweiz für den Weltkonzern ist, zeigte die Anwesenheit des prominentesten Gastes: Eric Schmidt, Chef des Google-Mutterkonzerns Alphabet, kam persönlich zur Eröffnung. Nach dem offiziellen Teil, und bevor er ans WEF nach Davos reiste, gab der 61-jährige Amerikaner BLICK ein Exklusiv-Interview. Entspannt, locker, offen – ausser beim Thema US-Politik. Über den künftigen Präsidenten Donald Trump wollte der bekennende Clinton-Unterstützer kein Wort verlieren.
BLICK: Warum hat Google Zürich für seinen Standort ausgesucht?
Eric Schmidt: Wir haben hier 2004 einen Standort eröffnet. Damals brauchten wir einen Platz für unsere Software-Entwickler. Unser Technik-Chef Urs Hölzle, ein Schweizer, sagte damals: Es muss in Zürich sein. Ich fragte: Warum? Seine Antwort: Weil es zentral gelegen ist, weil die Entwickler richtig gut sind. Und weil viele Menschen aus Europa bereit wären, nach Zürich zu ziehen. Ich war skeptisch, aber Urs ist gut und ich habe auf ihn gehört. Wir haben also ein kleines Team aufgebaut, und es war so top, dass wir immer weiter ausgebaut haben. Heute haben wir über 2000 Mitarbeiter hier.
Was macht die Schweiz für Sie einzigartig?
Es gibt ja viele Klischees, von Bankern bis zur konservativen Grundhaltung des Landes. Ich erlebe das nicht so. Vielleicht ist das ein anderes Zürich. Was ich sehe: Die Software-Entwickler, welche die ETH ausbildet, sind sehr begabt. Die besten Entwickler sind extrem genau, fast schon hartnäckig. Wenn du sie etwas fragst, bekommst du eine hochpräzise, gut durchdachte Antwort. Diese Präzision, die meiner Meinung nach vom Schweizer Bildungssystem herkommt, ist einzigartig und der Grund für euren Erfolg.
Die Schweizer sind Meister im Understatement. Wir selber sind sehr kritisch, auch unserem Schul- und Hochschulsystem gegenüber.
Wirklich? Dafür gibt es keinen Grund. Euer Bildungssystem produziert diese sehr detaillierte Präzision – und genau damit baut man Computersysteme. Noch ein Beispiel: Ich war an der EPFL Lausanne. Auch die Forschung dort ist Weltklasse, die Hochschule zieht Leute aus der ganzen Welt an. Das ist ein enormes Kapital für die Schweiz. Darauf müsst ihr aufbauen, daraus solltet ihr mehr machen. Wir brauchen mehr Schweizer Bildung, wir brauchen mehr Entwickler, mehr Start-ups, mehr Geld. Dann wird das ganze Land davon profitieren.
Die Politik will 2 Milliarden Franken in die Digitalisierung investieren. Reicht das aus?
Das ist ein sehr guter Anfang. Aber es braucht mehr. Die Schweiz sollte überinvestieren in Technik und Software. Ich weiss, dass ein wichtiger Zweig der Schweizer Wirtschaft die verarbeitende Industrie ist. Sie braucht heute genauso viel Software wie Hardware. Oder nehmen Sie das Banking, das ja auch sehr wichtig ist für euer Land. Ganz viel Banking der Zukunft besteht aus Software. Warum solltet ihr da dauernd Experten aus anderen Ländern holen? Bildet die Leute hier aus, ihr könnt das!
Woher soll das viele Geld kommen? Vom Staat oder aus der Privatwirtschaft?
Es ist wichtig, dass es eine Bereitschaft gibt, Geschäftsideen zu finanzieren. Amerika hat eine sehr lebendige Finanzierungs-Industrie. In Europa ist es leider schwieriger, für Gründer Kapital zu finden. Es mag viele Gründe dafür geben. Aber am Ende des Tages ist Risiko-Finanzierung aus dem privaten Sektor zwingend nötig.
Google investiert in Zürich massiv in künstliche Intelligenz. Viele Menschen haben Angst, dass ihnen Maschinen die Jobs wegnehmen.
Soeben hat Bundesrat Schneider-Ammann in seiner Rede gesagt, dass die Arbeitslosigkeit hier um die drei Prozent liegt. Das ist ein Indiz, dass Automatisierung und künstliche Intelligenz Jobs schaffen. Künstliche Intelligenz macht uns produktiver. Auch bei uns in Amerika haben wir die tiefste Arbeitslosenquote seit zwei Jahrzehnten. Die Wirtschaft wächst.
Wie viele Jobs schafft Google in den nächsten Jahren in der Schweiz?
In Zürich werden bis zu 5000 Googler arbeiten. Wir wachsen weltweit und haben in den letzten Jahren pro Jahr 8000 bis 9000 Mitarbeiter eingestellt. Das Geschäft läuft gut, die Aussichten sind gut. Es gibt jeden Grund anzunehmen, dass 2017 ein gutes Jahr wird.
Google arbeitet am selbstfahrenden Auto. Wenn Busse und Autos selbst fahren, braucht es keine Fahrer mehr.
So weit sind wir noch nicht. Und wenn wir so weit sind, braucht es Supervisoren. Aber natürlich gibt es ein paar Fälle, wo Jobs wegfallen. Aber es werden wenige sein. Und es werden dank der neuen Technologien auch neue Jobs entstehen.
Es ist schwer, das den Menschen zu vermitteln.
Schauen Sie sich in der Schweiz um: Den Leuten geht es gut, die Arbeitslosigkeit ist gering. Bisher hat die Digitalisierung also nichts Negatives gebracht. Nehmen wir mal an: Morgen entscheidet Gott, dass das Internet für einen Tag abgeschaltet wird. Was würde passieren? Wir wären alle am Leben, aber viele Geschäfte würden viel langsamer laufen. Man würde den Unterschied spüren. Dank der Digitalisierung sind wir alle viel produktiver.
Was kann Zürich vom Silicon Valley lernen?
Die Schweizer sind kulturell eher vorsichtig. Wenn ihr vom Silicon Valley lernen wollt, müsst ihr einen gewissen Grad an Risiko und Scheitern hinnehmen. Im Silicon Valley feiern wir, wenn Leute scheitern. Ich bin mir nicht sicher, ob das hier in der Schweiz auch so ist.
Eher nicht. Wer scheitert, wird dafür kritisiert.
Wenn ihr wirklich den Erfolg wollt, müsst ihr das Scheitern feiern.
Kann das Silicon Valley auch etwas von der Schweiz lernen?
Ich bin persönlich ein Fan des politischen Systems der Schweiz. Die Kantone, die untereinander konkurrenzieren, die Volksinitiativen, mit denen wichtige Fragen entschieden werden, die Wahlen, welche die Regierung verändern. Ich mag die Demokratie und die Balance zwischen den Interessen. Das System ist ein sehr menschliches System, es beeindruckt mich. Wenn man verschiedene Regierungssysteme auf der ganzen Welt vergleicht, ist das Schweizer System herausragend.
Google unterhält in Zürich sein grösstes Forschungszentrum ausserhalb der USA, Startups und Gründer entdecken die Schweiz als Standort. Auch dank der Initiative Digital Switzerland hat unser Land mittlerweile eine führende Rolle in Sachen Digitalisierung.
Digital Switzerland will die Schweiz zu einem führenden Standort für digitale Innovation machen. Neben der Stadt und dem Kanton Zürich sind auch die ETH sowie rund 40 Unternehmen beigetreten, darunter Google Schweiz, die Post, UBS, Swisscom und Ringier.
Google unterhält in Zürich sein grösstes Forschungszentrum ausserhalb der USA, Startups und Gründer entdecken die Schweiz als Standort. Auch dank der Initiative Digital Switzerland hat unser Land mittlerweile eine führende Rolle in Sachen Digitalisierung.
Digital Switzerland will die Schweiz zu einem führenden Standort für digitale Innovation machen. Neben der Stadt und dem Kanton Zürich sind auch die ETH sowie rund 40 Unternehmen beigetreten, darunter Google Schweiz, die Post, UBS, Swisscom und Ringier.