Das Thema Atomausstieg ist nun im Nationalrat durch. Die wichtigsten Beschlüsse: Wenn ein AKW 40 Jahre alt ist, muss der Betreiber der Nuklearaufsicht Ensi ein Betriebskonzept vorlegen. Ist es in Ordnung, kann der Meiler weitere zehn Jahre laufen. Ist es nicht in Ordnung, muss das Werk vom Netz. Eine Altersgrenze gibt es nicht.
Eine Ausnahme gibt es bei den zwei Meilern in Beznau. Sie sollen spätestens nach 60 Jahren abgeschaltet werden. Konkret: Meiler 1 wird 2029 runtergefahren, Meiler 2 im Jahr 2031. Für das AKW Mühleberg hat Betreiberin BKW bereits angekündigt im Jahr 2019 den Stecker zu ziehen.
Wie lange läuft denn so ein AKW?
Kürzlich in der «Arena» beim SRF. Kabarettist und Autor Franz Hohler erinnert sich, dass man damals, als die ersten Atomkraftwerke in der Schweiz gebaut wurden, «von Laufzeiten von 25 bis 30 Jahren sprach».
Bis vor dem AKW-Gau in Fukushima 2011 planten der Bund die Stromkonzerne, dass bald neue AKWs gebaut werden. Denn die bestehenden seien in die Jahre gekommen, hiess es.
Nach Fukushima sprach die zuständige Bundesrätin Doris Leuthard von rund 50 Jahren Betriebszeit. So lange sei in etwa der globale Standard für Laufzeiten. Die AKW-Betreiber rechneten in ihren Bilanzen mit einer ebenso langen Abschreibungsdauer.
Vor drei Monaten kündigten Gösgen und Leibstadt an, dass die Abschreibungsdauer ihrer Meiler auf 60 Jahre erhöht wird. Grund: Man habe viel Geld in die Modernisierung gesteckt. Ausserdem sei das gesetzeskonform.
Was gilt jetzt? Wie lange sollen, dürfen, müssen, können Atomkraftwerke Strom produzieren?
Das Hauptproblem: Es gibt nur Schätzungen. Kein AKW war länger als 50 Jahre in Betrieb. Beznau ist derzeit das älteste AKW, das noch in Betrieb ist. 2019 wird es 50-jährig. Der damalige Axpo-Chef Heinz Karrer sagte im März 2012 in einem Interview: «Beznau ist Weltklasse.»
Brandgefahr! Ermüdungserscheinungen! Kernschmelze!
Nun sagt der Nationalrat am Ende einer sechstägigen Energie-Debatte: So lange die Kraftwerke sicher sind, sollen sie am Netz bleiben. Aber was heisst sicher? Immerhin: Das Ensi hat schon heute ein genaues Regelwerk zum Thema Sicherheit.
Gewisse Verbände sehen das anders. Die atomkritische Schweizerische Energiestiftung (SES) schreibt als Reaktion auf den Parlamentsentscheid: «Mit dem Alter werden technische Anlagen aus Ermüdungsgründen immer gefährlicher. Das Material und die Komponenten der AKW sind ausserdem hoher Radioaktivität, Temperatur und Druck ausgesetzt.»
So würden unter anderem Risse oder Versprödungen entstehen, «was zum Versagen der Sicherheitssysteme, höherer Brandgefahr oder gar zu einer Kernschmelze führen kann». Die Erfahrung zeige, dass in AKW solche Ermüdungserscheinungen schon nach 20 Jahren auftauchen würden.
Die «Umweltallianz» – Greenpeace, Pro Natura, WWF und VCS – teilt mit: «Beim Abschied von den altersschwachen Atomkraftwerken muss der Ständerat die Weichen neu stellen.»
Neue Meiler bleiben verboten
Greenpeace Schweiz schreibt: «Dieser Atomausstieg verdient diesen Namen nicht.» Man habe eine «Scheinlösung» verabschiedet. Die Rede ist von einem «unverantwortlichen Experiment auf Kosten der Bevölkerung».
Umstritten bleibt, ob man tatsächlich von einem Atomausstieg sprechen kann. Zwar hat der Nationalrat mit 115 zu 77 Stimmen seinen früheren Beschluss bestätig, dass keine neuen AKW gebaut werden dürfen.
Aber das Gesetz lässt sich in 30 Jahren problemlos wieder ändern. Ausserdem bleibt die Nuklear-Forschung in der Schweiz weiter erlaubt. In Frankreich wird fleissig an einer neuen, sichereren AKW-Generation geforscht.
Beobachter und Kommentatoren sind uneinig darüber, ob der Atomausstieg tatsächlich beschlossene Sache ist. Auch FDP-Energieexperte und Atom-Lobbyist Christian Wasserfallen hat keine Antwort: