Jetzt wehrt sich die Nationalbank
1:43
Schweizerische Nationalbank:Sexismus und Mobbing! Heftige Vorwürfe gegen die SNB

Aktuelle und Ex-Mitarbeiterinnen packen über die Schweizerische Nationalbank aus
Sexismus und Mobbing! Heftige Vorwürfe gegen die SNB

Dicke Post für die Schweizerische Nationalbank! Mehrere aktuelle und ehemalige Mitarbeiterinnen packen in der «Republik» über die SNB aus und erheben schwerwiegende Sexismus- und Mobbing-Vorwürfe.
Publiziert: 24.09.2020 um 07:00 Uhr
|
Aktualisiert: 24.09.2020 um 18:32 Uhr
1/7
Dicke Post für Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank.
Foto: keystone-sda.ch

Brisante Enthüllungen über die Schweizerische Nationalbank (SNB) erschüttern den Schweizer Finanzplatz und Bundesbern! In einem am Donnerstagmorgen veröffentlichten Artikel des Online-Magazins «Republik» zeigt die Schweizer Wirtschaftsjournalistin und BLICK-Kolumnistin Patrizia Laeri zusammen mit Journalist Fabio Canetg erhebliche Missstände bei der Schweizer Nationalbank auf. Die Vorwürfe, die von früheren und aktuellen Mitarbeiterinnen der SNB erhoben werden, handeln von Sexismus, Mobbing und Lohndiskriminierung.

Patrizia Laeri hat in ihrer BLICK-Kolumne #Aufbruch vor rund drei Wochen das Männerproblem bei der Schweizerischen Nationalbank aufgezeigt. 81 Prozent der Führungspositionen werden demnach von Männern besetzt. Das hat gleichentags auch Swissinfo.ch-Journalist Fabio Canetg berichtet. Daraufhin haben sich zahlreiche Frauen bei den beiden Journalisten gemeldet.

«Wir haben mit über einem Dutzend Personen gesprochen. Einige davon arbeiten aktuell bei der Notenbank, andere haben sie inzwischen verlassen oder nie eine Stelle angetreten», schreiben die Autoren in der «Republik». Deren Aussagen würden zeigen: «Nicht nur das Geschlechterverhältnis ist jämmerlich. Es ist alles noch viel schlimmer.»

Die konservative Unternehmenskultur der SNB

Im Artikel prangern die Informantinnen, die alle anonym bleiben möchten, die Unternehmenskultur der Notenbank an. Sie beschreiben diese als «steinzeitlich» und «autoritär». Eine Ökonomin, die jahrelang bei der SNB arbeitete, fällt ein vernichtendes Urteil: «Im Prinzip müsste man die ganze Führungsetage austauschen», sagt sie. Eine andere Zeugin nennt den Direktionspräsidenten Thomas Jordan (57) «Mr. Konservativ». Ihr Vorwurf: Jordan herrsche mit praktisch uneingeschränkter Macht, fördert werden «gezielt» Leute mit einer «gewissen» politischen Grundhaltung.

Mehrere konkrete Beispiele werden in der «Republik» genannt. So erzählt eine Informantin, dass sie bei einem Bewerbungsgespräch nach ihrer politischen Meinung zur SNB-Anlagepolitik befragt worden sei. Sie antwortete zurückhaltend, sagte, man könne die Anlagepolitik «überdenken». Einige Tage später kam von der SNB, die sich massgeblich über ihre politische Unabhängigkeit definiert, die Absage. «Die Frage nach der politischen Haltung der Bewerberin war in diesem Fall ganz klar unzulässig», sagt Martin Farner, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Eine andere, frühere Bewerberin berichtet davon, dass sie während des Bewerbungsprozesses gefragt worden sei, wie viele Kinder sie habe und wie alt diese seien. Die Informantin bewarb sich um eine Teilzeitstelle und versicherte zuvor, dass sie dieses Pensum zu leisten vermöge. Arbeitsrechtsexperte Farner beurteilt diese Frage im Artikel als «grenzwertig».

Sexismus bei der SNB

Auch sonst gehört bei der SNB Sexismus offenbar zum Alltag. Drei voneinander unabhängige Quellen berichteten den Autoren von mehreren Fällen, in denen Frauen am Arbeitsplatz unter so starken Druck gesetzt wurden, dass sie unter Tränen das Büro verliessen. Brisant ist die Schilderung einer ehemaligen Mitarbeiterin: Einer ihrer Vorgesetzten habe ihr während der Arbeit erklärt, wofür ihre Geschlechtsorgane gut seien.

Eine Ökonomin, die seit über zwei Jahren bei der Schweizer Nationalbank arbeitet, zieht ein vernichtendes Fazit: Bei der SNB sei der Sexismus schlimmer als bei jeder anderen Arbeitgeberin zuvor. Für die erfahrene Ökonomin hat dieses Verhalten System. Sie behauptet, dass «sehr gut qualifizierte Frauen» es bei der Nationalbank schwieriger haben als Männer, um auf der Karriereleiter aufzusteigen. Offener und versteckter Sexismus sei allgegenwärtig.

Frauen berichten von Mobbing

Im Fall der Ökonomin äusserte sich das so: Ein fachlich schlechter qualifizierter Mitarbeiter habe ihr Informationen vorenthalten, sie bei einem gemeinsamen Projekt ausgebremst und ihre Arbeit sabotiert. Als sie ihren Vorgesetzten informiert habe, habe dieser ein Gespräch zu dritt organisiert. Dieses sei zu einer «Demütigung» ausgeartet. Die Ökonomin sei als emotional bezeichnet worden. Auch ihr Auftreten und ihre Körpersprache seien abfällig kommentiert worden. Letztlich habe die Anweisung des Chefs gelautet: Sie solle sich «zusammenreissen».

Die im Artikel der «Republik» vielfach zitierte Ökonomin soll mit ihren Anschuldigungen nicht alleine stehen. Die Autorinnen haben demnach von «verschiedenen Frauen» aus «allen Departementen der Nationalbank» ähnliche Schilderungen gehört. Die Frauen bezeichnen dieses Verhalten als «klares Mobbing».

Vorwurf der Lohndiskriminierung

Die SNB hat offenbar nicht nur mit Sexismus und Mobbing zu kämpfen, sondern auch mit dem «Klassiker der Ungleichheit», wie es die Autorinnen bezeichnen: Lohndiskriminierung. So berichten zwei voneinander unabhängige Frauen, dass sie weniger verdient hätten als ähnlich qualifizierte Kollegen.

Eine Mitarbeiterin stellte das erst Jahre nach ihrer Anstellung bei der Nationalbank fest, nachdem ihr ein neuer Vorgesetzter eine signifikante Lohnanpassung offeriert habe. Seine Erklärungen: Ihr Lohn sei mehrere Jahre unter dem ihrer Mitarbeiter gelegen. Die Frau – ebenfalls eine Ökonomin – rechnet der «Republik» vor, dass der Einstiegslohn ihrer Kollegen bis zu 10'000 Franken höher gewesen sei als ihr damaliger Einstiegslohn. Auch in Bezug auf Praktikantinnen soll es zu Lohndiskriminierung kommen, wie die Berichte einer Auskunftsperson vermuten liessen.

Das sagt die SNB

Die Schweizerische Nationalbank hat zu den verschiedenen Vorwürfen im Artikel Stellung bezogen. Es gebe keine systematische Lohndiskriminierung: «Das Prinzip der Lohngleichheit gilt uneingeschränkt.» Die im Artikel «beschriebenen allgemeinen Vorwürfe von Mobbing, Diskriminierung und Sexismus decken sich nicht mit dem Kenntnisstand der Schweizerischen Nationalbank (SNB), und wir weisen diese entschieden zurück», schreibt die SNB.

Solche Vorkommnisse wären, so die Nationalbank, «inakzeptabel». Sämtliche Meldungen würden «sorgfältig» geprüft und «rigoros» aufgearbeitet. Zu den konkreten Vorwürfen nimmt die Nationalbank keine Stellung. Der Bankrat – das offizielle Aufsichtsorgan – liess die «Republik» wissen, dass man der Stellungnahme der SNB-Medienstelle nichts beizufügen habe.

Politik schaltet sich ein

Für die Recherche von Patrizia Laeri und Fabio Canetg haben die Informantinnen nach Angaben der «Republik» zu «allen Tages- und Nachtzeiten» mit den Autorinnen telefoniert, sich mit Freunden und Familie ausgetauscht sowie Dokumente und E-Mail-Verkehr ausgegraben, um ihre Fälle zu dokumentieren.

Die Enthüllungen könnten nun Konsequenzen haben. Politikerinnen aus verschiedenen Parteien seien aufgrund der Recherchen auf die Zustände bei der SNB aufmerksam worden, heisst es im Artikel. Für SP-Nationalrätin Céline Widmer (42) ist das Geschlechterverhältnis bei der Nationalbank «schockierend». «Die SNB muss sofort aufzeigen, wie sie diese Zahlen verbessert», sagt sie. Maya Graf, Ständerätin der Grünen und Vorsitzende der Geschäftsprüfungskommission, fordert die SNB auf, aktiv zu werden: «Die dokumentierten Missstände müssen untersucht und behoben werden», sagt sie in der «Republik».

Der Fall SNB könnte also bald schon in Bundesbern verhandelt werden. Mehrere Politiker wollen die Vorwürfe im Parlament zur Sprache zu bringen. (nim)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.