Kein Tag vergeht ohne Negativschlagzeilen über Credit Suisse. Am Dienstagmittag fiel die CS-Aktie zwischenzeitlich auf zehn Franken – so billig war der Titel noch nie. Am Freitag nahm Pamela Thomas-Graham (52) ihren Hut. Die Amerikanerin und Vertraute von Ex-CEO Brady Dougan (56) war die erste Frau in der CS-Konzernleitung. Sie sollte der Traditionsbank ein modernes, zeitgemässes Image verpassen.
Allzeittief und Abgang fallen praktisch mit dem Amtsjubiläum von CS-CEO Tidjane Thiam (53) zusammen. Bei seinem Antritt am 1. Juli 2015 kostete das CS-Papier noch über 24 Franken. Innerhalb seines ersten Jahres hat es fast 60 Prozent an Wert eingebüsst. Damals galt Thiam als «Barack Obama der Finanzbranche» und als Hoffnungsträger für eine desorientierte Bank.
Heute steht er von allen Seiten unter Beschuss. Investoren haben dem früheren Versicherungs-Profi längst das Vertrauen entzogen. Forderungen nach seinem Rücktritt werden lauter und lauter.
«So viel hartes Eigenkapital wie noch nie»
Doch damit nicht genug: Inzwischen geht sogar die Sorge um, dass die Schweizer Traditionsbank ihre Eigenständigkeit verlieren könnte. Je tiefer die Aktie im Keller ist, umso mehr gilt die Grossbank als Übernahmekandidatin. 2017 will Thiam das Schweizer Geschäft aus der CS-Gruppe herauslösen und separat an die Börse bringen. Spätestens dann, so fürchten Beobachter, soll die CS filettiert und verhökert werden.
Gegenüber SonntagsBlick nimmt Thiam nun exklusiv Stellung zu den Gerüchten. Er verspricht: «Die Gruppe bleibt zusammen. Eine Übernahme ist kein Thema!»
Der Kapitän sieht sein Schiff auf Kurs. «Die Credit Suisse ist jetzt sicherer denn je.» Warum ist das so, Herr Thiam? «Die CS verfügt heute über mehr hartes Eigenkapital als jemals zuvor.»
Und was meint der CEO zum dramatischen Absturz der Aktie – die nach dem Brexit nochmals besonders abgestraft wurde? «Das Umfeld ist volatil und stellt uns vor Herausforderungen», lautet seine knappe Erklärung.
Der CEO wünscht sich vom Markt mehr Geduld: «Wir haben zwei Quartale eines dreijährigen Transformationsprozesses hinter uns.» Für ihn stimme die Richtung. Doch die Anleger wird Thiam damit kaum besänftigen können. Sie tragen es ihm weiterhin nach, dass er 2015 für sechs Monate Arbeit 18,9 Millionen Franken Lohn einstrich (inklusive 14,3 Millionen Antrittsgeld) – notabene bei kontinuierlich sinkendem Aktienkurs.
Auch der VR-Präsi in der Kritik
Hauptproblem jedoch ist Thiams Vorgehensweise: Seine Strategie wirft mehr Fragen auf, als sie Klarheit bringt. Grossaktionär Harris Associates riet ihm kürzlich, den Tonfall zu ändern, wolle er seine Botschaft erfolgreich rüberbringen. Seit der CS-Chef im Herbst seine Reformpläne offenlegte, korrigierte er mehrmals den bereits eingeschlagenen Kurs.
Zum Beispiel Ende März: Thiam verschärfte die Sparziele und gab weitere 2000 Stellen zur Streichung frei – 50 Prozent mehr als die ursprünglich geplanten 4000 Jobs. Laut Thiam ist sein Kurs aber breit abgestützt. «Die Strategie wurde vom ganzen Management in enger Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat entwickelt und von diesem unterstützt», sagt er zu SonntagsBlick.
Mit dieser Aussage aber lenkt Thiam die Aufmerksamkeit unfreiwillig auf ein weiteres Problem: Nicht nur er selber, auch VR-Präsident Urs Rohner (56) hat an den Märkten an Rückhalt verloren; er gilt vielen als uneinsichtig und führungsschwach. Am Dienstag trat Rohner an einem Podium am Swiss International Finance Forum in Bern auf. Dem angeschossenen Präsidenten Fragen zu stellen, war explizit verboten. Selbstvertrauen sieht anders aus.