Die SBB-Handy-App ist laut Portal «Travelnews» die beliebteste im ganzen Land. Blöd bloss, dass ein grosser Vorteil dieser Art, Billette zu kaufen, flöten geht, weil die SBB auf Regel-Paragrafen rumreiten. Konkret: Wer den Zug in letzter Sekunde erwischt und direkt nach der Abfahrt ein Billett via App löst, kassiert eine 90-Franken-Busse. Obwohl er in keiner Form tricksen wollte.
Genau so ist das vergangene Woche im Interregio von Zürich nach Luzern passiert. Nach Rotkreuz, also kurz vor der Endhaltestelle, kontrolliert der Kondukteur drei Männer, die in Zürich auf den Zug gesprintet waren. Einer von ihnen kann nur ein Handy-Billett vorweisen, das er eine halbe Stunde zuvor, zwei Minuten nach der Abfahrt, bezahlt hat.
Polizei kommt wegen zwei Minuten
Weil der Mann ganz offensichtlich nicht hat schwarzfahren wollen, weigert er sich auch, die Busse zu bezahlen, wie das Portal «Zentralplus» berichtet. Der Kondukteur macht, was er in einer solchen Situation laut Regelbuch tun muss: Er ruft die Polizei, die den «Schuldigen» nach der Ankunft in Luzern in Empfang nimmt.
Ist das wirklich sinnvoll? Muss jemand, der den Zug knapp noch erreichen würde, aber keine Busse kassieren will, wirklich auf den nächsten Zug warten?
Die SBB wollen sich nicht mit dieser Frage aufhalten und antworten, dass es sich um schweizweite Regeln handle, die für alle Transportunternehmen, die unter dem Dach der nationalen Tariforganisation CH-Direct arbeiten, gelten würden. «Das sind also nie nur SBB-Regeln», schreibt ein Sprecher und verweist an CH-Direct weiter. Darüber, wie viele Personen bei den SBB von der sturen Regelbefolgung betroffen sind, kann er keine Angaben machen, weil die SBB dies nicht genau erfassen.
Gleichbehandlung ad absurdum geführt
«Dieser Vorfall ist absurd und für Reisende absolut nicht nachvollziehbar und abschreckend. Die SBB haben eigentlich zugesichert, dass sich die Zugbegleiter kulant zeigen», schreibt Josianne Walpen,
Leiterin Mobilität bei der Stiftung für Konsumentenschutz. «Dieser Fall zeigt, dass es insbesondere beim Fernverkehr Sinn macht, generell eine Toleranzzeit von beispielsweise fünf Minuten vorzusehen. Dies würde Reisende und Zugbegleiter entlasten.»
Die Tariforganisation CH-Direct begründet ihre Regeln damit, dass sie alle Passagiere gleich behandeln will – also jene ohne App gegenüber den Modernen mit App nicht benachteiligen will. Aber für jene ohne App würde sich auch bei einer Regelanpassung oder mehr Kulanz das Reiseerlebnis doch gar nicht verschlechtern, oder? Egal. «Aktuell sehen wir keinen Bedarf, das Reglement anzupassen», so eine Sprecherin.
Ausserdem arbeite man aktuell an den Verkaufskanälen, was das Problem zumindest teilweise lösen könnte. «Aktuell läuft ein Markttest mit neuen Ticket-Apps verschiedener Anbieter, bei denen der Kunde nur noch die App aktiveren muss (Swipe-in), damit er ein gültiges Ticket besitzt. Somit wird auch diesem Kundenbedürfnis Rechnung getragen, und die Vorteile der Digitalisierung können aus Kundensicht optimal genutzt werden.»
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