Ärger über Schweizer Fernbus-Testlauf
«Der Bund gefährdet den öffentlichen Verkehr»

Nach dem BLICK-Bericht über die Bewilligung von Fernbus-Testfahrten durch das Bundesamt für Verkehr schlagen Gewerkschaften und Verbände Alarm.
Publiziert: 04.05.2017 um 19:20 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 15:17 Uhr
SEV-Präsident Giorgio Tuti kritisiert die Fernbus-Testfahrten.
Foto: Thomas Lüthi
Ulrich Rotzinger

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat Streckentests des Schweizer Fernbusanbieters Domo Reisen bewilligt. Das machte der BLICK gestern publik. Ab Mitte Juni darf das Glattbrugger Unternehmen insgesamt sechs Fernbusfahrten mit Passagieren durchführen. Die Fernbusse machen in Städten auf einer Strecke quer durch die Schweiz halt. 

Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) wurde vom BAV-Entscheid überrollt. «Das BAV bekräftigt mit dieser provisorischen Konzession seinen Willen zur Liberalisierung», sagt SEV-Präsident Giorgio Tuti (53) zu BLICK. «Damit bringt es den bewährten öffentlichen Verkehr in der Schweiz in Gefahr.»

BAV versteht Aufregung nicht

Die Gewerkschaft spricht vom «einzigartigen Bahnangebot der Schweiz als tragendem Pfeiler der Verkehrspolitik». Alle sprächen von der Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene und von verstopften Strassen. «Trotzdem will nun das BAV zusätzlichen Strassenverkehr generieren», heisst es in einem SEV-Communiqué.

Beim Bundesamt versteht man die Aufregung nicht: «Wir haben einzig der Anfrage von Domo Reisen zugestimmt, zu Testzwecken für die Erarbeitung eines stabilen Zeitplans die drei beantragten Strecken jeweils einmalig befahren zu dürfen», kontert BAV-Sprecher Gregor Saladin. Ein Konzessionsentscheid falle erst in einigen Monaten.

Schneiden sich die Bundesbehörden ins eigene Fleisch?

Ein Blick auf die Karte der für den Test freigegebenen Fernbusstrecken zeigt: Domo Reisen fährt auf Strecken, die auch für die Bahn sehr rentabel sind, unrentable Verbindungen werden im Gegensatz zu den SBB nicht bedient.

Bekommt Domo Reisen die Konzession, will das Unternehmen Fernbusverbindungen quer durch die Schweiz anbieten.
Foto: Ringier Infographics

«Auf genau diesen Strecken kann aber auch die SBB Geld verdienen – und kann so unrentable Strecken in ländlichen Regionen querfinanzieren», heisst es in einem Communiqué des Verkehrs-Club der Schweiz (VCS). 

Die Gewinne, die der SBB auf ihren Paradestrecken entgehen, werde der Steuerzahler ausgleichen müssen, so der VCS weiter. «Das ist nicht im Sinne der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.»

Dieser Meinung ist auch der SEV: «Wo es in der Schweiz mit der Bahn schwierig ist, wird kein Bus rentabel betrieben werden können», sagt Präsident Tuti. Der Wettbewerb auf den rentablen Strecken schwäche somit auch die regionalen Bahnunternehmen.

Fernbusse schlecht für die Umwelt?

Bei gleicher Auslastung stossen Fernbusse in der Schweiz bis zu zehn Mal mehr CO2 aus als die Bahn, heisst es beim VCS. «Wir fördern die Eisenbahn in der Schweiz gerade auch der Umwelt zuliebe sehr stark, denn sie ist das ökologischste Massentransportmittel überhaupt», sagt VCS-Präsidentin Evi Allemann (38, SP). «Den öffentlichen Verkehr parallel und doppelt zu führen, sorgt ganz sicher für mehr Dreck als lediglich ein System.»

Für Tuti ist zudem klar: «Falls der Test zu einer definitiven Konzession führt, wird der SEV auf einen Gesamtarbeitsvertrag mit Domo Reisen pochen.» Man werde genau überwachen, dass branchenübliche Arbeitsbedingungen und die gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften eingehalten würden.

Fernbusanbieter verspricht Einhaltung des Arbeitsgesetzes

Domo Reisen bedauert auf Anfrage, «dass VCS und SEV sich nicht vom veralteten Lagerdenken – Schiene gegen Strassen – lösen können». Der Fernbus führe nachweislich zu einer Entlastung der Strasse.

«Zwischen 30 und 60 Prozent der Fernbuskunden waren vorher im Auto unterwegs», sagt Domo-Vertreter Patrick Angehrn (40). Und: «Wir halten uns selbstverständlich an die branchenüblichen Arbeitsbedingungen und gesetzlichen Arbeitsvorschriften.»

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