6000 Schummeldiesel-Besitzer wehren sich
So gut stehen die Chancen der VW-Kläger

Der VW-Abgasskandal wird ein Fall für Schweizer Richter. 6000 Besitzer von Autos mit der Betrugssoftware fordern Schadenersatz vom VW-Konzern. Generalimporteur Amag hält nichts von der Klage.
Publiziert: 29.12.2017 um 09:58 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 22:35 Uhr
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Konsumentenschützerin Sara Stalder informiert die Medien über das Klage-Projekt gegen den VW-Konzern.
Foto: Anja Wurm
Patrik Berger

Eine solche Klage hat die Schweiz noch nie gesehen! Über 6000 Besitzer von Schummeldieseln aus dem VW-Konzern reichen beim Handelsgericht Zürich eine Klage gegen den Autobauer aus Wolfsburg (D) ein. Sie kauften die Autos im guten Glauben, etwas für die Umwelt zu tun. Doch sie wurden laut Konsumentenschützern und Anwälten getäuscht – und wollen deshalb eine Entschädigung.

Bisher gab es nach dem Softwareupdate höchstens ein Sackmesser als kleines «Sorry». Ganz anders in den USA. Mehrere Hunderttausend Geschädigte wurden mit über 20 Milliarden Dollar entschädigt. VW kaufte Zehntausende Autos zurück. Gegen diese Ungleichbehandlung kämpft die Stiftung für Konsumentenschutz.

«Es kann Jahre dauern» 

Die Taktik der Autoindustrie: So lange zuwarten, bis für Tausende Betroffene in der Schweiz die Verjährung eintritt. Die heutige Einreichung der Klage sabotiere dieses Vorgehen, sagt Konsumentenschützerin Sara Stalder (50) vor den Medien in Zürich. «Jetzt liegt die Entscheidung über die Entschädigung in den Händen der Richter.»

Auf einen Fahrplan will sie sich nicht festlegen. «Es kann Jahre dauern, falls sich VW nicht kooperativ zeigt.» Die Chancen, dass die Betroffenen zu ihrem Recht kommen, beurteilt die Konsumentenschützerin aber als gut. «Wir haben verschiedene Rechtsgutachten erstellen lassen, deren Ergebnisse uns Mut machen», sagt sie zu BLICK.

Anwalt Alexander Amann (34) betont: «Die VW-Strategie der Verzögerung darf nicht aufgehen, daher wird geklagt.» Amann hat die Konsumentenschützer juristisch beraten.

Schliesslich geht es um viel Geld. Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) geht davon aus, dass jeder Käufer einen Schaden von 15 Prozent erleidet. Man rechnet mit einem Wertverlust von 3000 bis 7000 Franken pro Auto – je nach Höhe des Kaufpreises.

Motor trickst auf dem Prüfstand

Im Zentrum des Skandals steht der Diesel-Motor EA189 des VW-Konzerns, der unter den Motorhauben von diversen Marken und Modellen steckt. Er verfügt über eine Software, die erkennt, wenn die Fahrzeuge auf einem Prüfstand stehen. Dann laufen sie sauber. Im Alltagsbetrieb aber stossen sie massiv mehr Stickoxid aus.

«Die beim Verkauf als umweltfreundlich gepriesenen Autos waren von vornherein überteuert. Wegen der Manipulationen der Abgasvorrichtungen haben sie auf dem Occasionsmarkt zusätzlich an Wert verloren», sagt Konsumentenschützerin Stalder. «Doch weder VW noch die Amag waren bereit, mit dem Konsumentenschutz über den Ersatz der finanziellen Schäden ihrer Kunden auch nur zu verhandeln», sagt sie.

Amag sieht keinen Grund zur Klage 

Die Amag nimmt die Klage der SKS «mit Unverständnis» zur Kenntnis. Die von der SKS behaupteten Ansprüche der Kunden gegen die Amag würden eine widerrechtliche Täuschung voraussetzen, welche die Amag «mit Nachdruck» zurückweist. Auch ein Schadenersatzanspruch ist nur gegeben, sofern und soweit tatsächlich ein finanzieller Schaden entstanden ist.

«Ein solcher Schaden ist ebenso nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Behauptung der SKS, die Kunden hätten zu viel bezahlt oder erzielten auf dem Occasionsmarkt «viel weniger Erlös», für die Amag in keiner Weise nachvollziehbar und überdies von der SKS nicht belegt», sagt Dino Graf.

Der Amag-Sprecher gibt noch einen drauf: «Es erstaunt, dass eine Konsumentenschutzorganisation, die sich darüber hinaus der Lauterkeit im Wettbewerb verschrieben hat, ohne Tatsachenbelege operiert.» Die Preise für Diesel-Occasionen würden wieder anziehen.

Versicherungen arbeiten zusammen

Ein Novum: Im Fall der Schummeldiesel arbeiten die grössten Schweizer Rechtsschutzversicherungen zusammen. Normal sind sie erbitterte Konkurrenten. «Es ist das erste Mal überhaupt, dass schweizweit alle Rechtsschutzversicherungen gemeinsam für ihre Kunden koordiniert juristisch vorgehen», sagt Christoph Arnet von der Coop Rechtsschutz AG.

Die Unterstützung der Schweizer Rechtsschutzversicherer verleiht dem Projekt zusätzliches Gewicht und trägt wesentlich zur «Swissness» des Projekts bei. «Dass sich alle grossen Schweizer Rechtsschutzversicherungen mit uns für die Geschädigten engagieren, ist ein wichtiges Zeichen an die Konzernwelt: Wer in der Schweiz Konsumentinnen und Konsumenten täuscht, muss mit ernsthafter Gegenwehr rechnen», sagt Sara Stalder.

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