Adidas-Chef Kasper Rorsted (57) glänzte Mitte August nicht nur mit imposanten Quartalszahlen, sondern auch mit seinem Auftritt. Wenn der ehemalige Henkel-Chef mit Dreitagebart, Denim-Jeans und Drei-Streifen-Sneakers die Bühne betritt, ist er mit seiner Lässigkeit den meisten Anzugträgern im Publikum überlegen.
Es ist bewundernswert, wie jugendlich wirkt. Klar – die Marke verpflichtet zu Sportlichkeit. Deshalb fährt Rorsted, der auch im Verwaltungsrat von Nestlé sitzt, jeden Tag mit dem Velo statt dem Dienstwagen in die Adidas-Zentrale nach Herzogenaurach (D).
Fit und dynamisch zu sein und sich keine Krawatte umzubinden, verleiht Rorsted aber noch nicht seinen jugendlichen Spirit. Diesen schöpft er auch von seinem Team: «Die Hälfte unserer Mitarbeiter in Herzogenaurach sind unter 30 Jahre alt», sagt Rorsted stolz. Zudem lässt sich der Topmanager im Wirtschaftsbuch «Der Elitenreport» wie folgt zitieren: «Um sieben Uhr ist bei mir Feierabend.»
Delegieren bringt weniger Stress
Damit offenbart Rorsted ein Geheimnis seiner agilen Erscheinung: «CEOs, die gut delegieren können, bleiben im fortschreitenden Alter vitaler und handeln sich in der Regel weniger Falten ein», sagt Hans Groth (66) vom World Demographic & Ageing Forum, einem Institut der Universität St. Gallen. Es beschäftigt sich mit der Demografie und ihren Auswirkungen. Groth fügt an: «Je mehr Manager fremdbestimmt sind, desto mehr sind sie gestresst und altern dementsprechend schneller.»
Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.
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Nicht so der Adidas-Chef. Rorsted lebt vor, was sich zahlreiche Männer wünschen. Auch nach 50 interessant, offen, lebendig und optisch attraktiv zu sein – ohne sich dabei in Röhrenjeans zwängen zu müssen oder sich voll zu tätowieren.
Glatze als Lifestyle
Sich als Mann so anzubiedern, sei «überhaupt nicht nötig», sagt der Schweizer Altersforscher François Höpflinger (71) von der Universität Zürich. «Dass Männer eine Brille benötigen, graue Haare oder eine Glatze haben, ist gesellschaftlich breiter akzeptiert als früher. Es gilt nicht mehr als Alterserscheinung, sondern als Lifestyle.»
Einer, dem Brille und graue Haare besonders gut stehen, ist der Schweizer Designer Alfredo Häberli. Er passt mit seiner eleganten und zeitlosen Erscheinung perfekt zu den Designobjekten, die er in den letzten Jahrzehnten erschaffen hat. Häberli ist ein Mann, dem Frau oder Mann anerkennend auf die Schultern klopfen und sagen: «Gut gehalten.» Hinzu kommt bei Häberli noch etwas, das Männer anscheinend attraktiv macht: Erfolg. Der Schweizer ist durch seine Kreationen für Vitra, BMW, Iittala oder Moroso weltberühmt geworden. Und hat dank den Tantiemen finanziell ausgesorgt.
«Ich achte auf meine Ernährung»
Häberli räumt aber ein, dass er mittlerweile eine Nachtschicht nicht mehr so leicht wegsteckt wie damals. Attraktivität braucht im fortschreitenden Alter Disziplin: «Ich achte auf meine Ernährung», sagt er. Das sei wichtig bei den vielen Reisen. Daneben geht Alfredo Häberli regelmässig joggen, und er versucht, genügend zu schlafen.
Dass Selbstbeherrschung der Schlüssel, um geistig und körperlich fit zu bleiben, bestätigt Hans Groth vom World Demographic & Ageing Forum. Für Häberli bedeutet das auch, dass er sich klar abgrenzt. «Ich muss nicht mehr alles mitmachen.» Dieses Wissen habe ihn entspannter gemacht.
Ob er eitel sei? Der 55-Jährige lacht verschmitzt und sagt: «Wenn man in einer ästhetischen Welt arbeitet, ist das naheliegend.» Durch seinen Beruf, seine Reisen und seine Selbständigkeit wirkt Häberli wie ein Junggeselle. Er ist aber zweifacher Vater.
60 ist das neue 40
Laut Altersforscher Höpflinger verschwimmen die verschiedenen Lebensphasen sowieso zunehmend: «Die Menschen schätzen sich heute viel jünger ein, als sie chronologisch sind.» Und verhielten sich dementsprechend zeitloser. Familienbild und berufliche Karriere hätten sich in den vergangenen Jahren «stark verschoben.», sagt der Forscher. Heute sei es nicht ungewöhnlich, dass ein Mann mit Anfang 40 mit einem Kleinkind durch die Strasse geht. Das sei vor einigen Jahren eher aussergewöhnlich gewesen.
Den Altersbegriff neu definieren würden heutzutage die wandelbaren Lebensentwürfe: «Die Menschen wechseln im Laufe ihres Lebens immer häufiger den Job, den Partner, den Wohnort», sagt François Höpflinger. Um dort mithalten zu können, müsse man offen und neugierig bleiben. Das lasse die Menschen jünger und agiler wirken. «Alt machen nicht graue Haare, sondern Langjährigkeit in einem Beruf oder einer festgefahrenen Lebenslage.»
Groth geht sogar noch weiter: «Früher war man mit 60 am Ende – müde vom Leben. Heute will ein Pensionierter ständig Neues lernen und entdecken.»
Auch der Schweizer Schauspieler Stefan Gubser (61) erfindet sich immer wieder neu. Der «Tatort»-Kommissar hat eben mit der Schauspielerin Regula Grauwiller (48) eine Firma gegründet und arbeitet an einem Bühnenprojekt über das Kunstfälscher-Ehepaar Helene und Wolfgang Beltracchi. «Dass wir da viel Text auswendig lernen müssen, hält fit im Kopf», sagt Gubser.
Zum Alter stehen
Und: «Neugierde hält jung.» Deshalb tauscht sich sich Gubser auch regelmässig mit seiner Tochter Stefanie aus. Über sein Alter mache er sich selten Gedanken. Muss er auch nicht. Keinem Schweizer Schauspieler steht der Dreitagebart so gut wie ihm. Nicht nur in seinen Filmen, sondern auch privat strahlt er Stärke und Kraft aus. Wenn er sich im Spiegel betrachte, erkenne er natürlich einen Unterschied zu früher. «Aber mit sich zufrieden zu sein, hängt stark damit zusammen, zu seinem Alter zu stehen», so Gubser.
Haltung und Einstellung seien für einen Mann über 50 Jahre die entscheidenden Elemente für ein stilvolles Altern, sagt Groth. Dieser Persönlichkeit könne mit der richtigen Kleidung Ausdruck verliehen werden: «Im Vergleich zu früher gibt es heute eine grosse Auswahl an hochwertigen und chicen Casual-Kleidern, coolen Pflegeprodukten und sportlichen Aktivitäten für Männer», sagt Groth. Früher habe man Reife vor allem mit einem Anzug unterstreichen können. Heute sei die Vielfalt grösser.
Status macht nicht jünger
Auch André Lüthi (59), CEO des Reiseunternehmens Globetrotter, sind Anzüge fremd. Sein Gesicht strahlt jugendlichen Schalk aus, ist meist gebräunt, und das dichte Strubbelhaar könnte auch auf dem Kopf eines 25-Jährigen wachsen. Gerade ist er von einer Besteigung des Kilimandscharos zurückgekehrt. Er war schon in über 120 Ländern unterwegs.
Reisen hält jung, ist für viele Führungskräfte mit einer 60-Stunden-Woche aber kaum möglich. Für Lüthi ist ein solcher Terminkalender unvorstellbar: «Durch die zahlreichen Begegnungen mit den verschiedensten Menschen und Kulturen halte ich stets die Augen offen.» Wohl war – aber wie kommt es, dass kaum jemand sein Alter erraten kann?
«Ab 40 muss man in Bewegung bleiben»
Er jogge fast jeden Morgen an der Aare entlang, steige zwischendrin auf einen Berg. «Ab 40 muss man in Bewegung bleiben. Sonst geht es rasch bergab», sagt der Globetrotter-CEO. Topmanager würden dieser Tatsache aber kaum Rechnung tragen und sich stattdessen lieber ein Motorrad kaufen. «Ich pflege eine Life-Balance, nicht eine Work-Life-Balance.» Diese beiden Lebensbereiche ständig trennen zu müssen, sei doch anstrengend.
Lüthi ist sich aber bewusst, dass er Glück hatte, sein Hobby zum Beruf machen zu können. Experte Groth sagt: «Wenn ein Mann ein Ziel vor Augen hat, bleibt er attraktiv und dynamisch.» Er lasse sich nicht gehen, achte auf sich, egal ob bei Mode, Essen, Alkohol.
Weisses Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln
Das gilt auch für SVP-Nationalrat und Unternehmer Adrian Amstutz (65). Nicht umsonst bezeichnen ihn die Medien als «Richard Gere der Alpen». Amstutz trägt anständig sitzende Anzüge, steht aber auch heroisch im engen T-Shirt auf einem Berggipfel. Dieses Zupackende habe er von seinem Vater übernommen, sagt er. Weisses Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, immer in Action, bis vor kurzem mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug springend.
Wie schafft er das bloss? «Ich habe das Glück, gesund zu sein – und geniesse mein Alter.» Besondere Tipps fürs anständige Altern habe er keine. «Ich kaufe meine Kleider ab Stange, lasse mir meine Haare im Dorf schneiden, trinke jeden Abend ein Glas Rotwein und verwende seit Geburt die günstigste Nivea-Crème.» Damit zeigt Amstutz auf, um was es wirklich geht im Alter: um Authentizität – oder wie der Politiker sagt: «Nichts vorgaukeln.»