360-Grad-Video: Nachts im Hangar
«Ohne die Freigabe vom Mechaniker hebt kein Flieger ab»

Getaktet wie ein Uhrwerk werden die Flugzeuge der Swiss-Flotte gewartet. Das SonntagsBlick Magazin war eine Nacht im Hangar auf dem Flughafen in Zürich und schaute den Flugzeugmechanikern bei der Arbeit zu.
Publiziert: 13.07.2019 um 11:41 Uhr
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Aktualisiert: 15.07.2019 um 14:11 Uhr
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Eine Rundumsicht des Hangars. Dafür wurde eine 360-Grad-Kamera auf einem Kran befestigt. Die Kamera hing rund 40 Meter über dem Boden.
Foto: Dominik Baumann
Rachel Hämmerli (Text) und Dominik Baumann (360°-Video)

20:00

Ein Zugvogel fliegt über den Flughafen in Zürich. Und bei einem Aufprall verbeult er die Schnauze von India Juliett Juliett – einem Airbus A320. Um die kleine Beule wird sich diese Nacht einer der 55 lizenzierten Flugzeugmechaniker kümmern. Im Hangar der Swiss in Zürich. Mit 40 Meter Höhe und einer Fläche von ungefähr fünf Fussballfeldern eines der grössten frei ­stehenden Gebäude der Schweiz. Tag und Nacht werden dort die 105 Kurz- und Langstreckenflugzeuge der Fluggesellschaften Swiss und Edelweiss gewartet. Damit Reisende sicher ausschwärmen können.

20:30

Um diese Sicherheit zu gewährleisten, steht Ordnung über allem. Angefangen bei der korrekt gebundenen Krawatte von Daniel Heimo (58), dem Head of Hangar & Base Maintenance. Pünktlich zum Schichtbeginn steht er vor versammelter Mannschaft und informiert, welche Wartungsarbeiten heute Nacht auf der Checkliste stehen. Nach 48 bis 72 Stunden in der Luft wird jedes Flugzeug einem «Check» unterzogen. Alle Systeme werden kontrolliert – darunter Notsysteme wie Not­rutschen und Feuerlöscher. Auch die Steuerelemente im Cockpit und die Flügel der grossen Vögel werden geprüft. Stress steht nicht auf dem Plan. Eine unruhige Hand erlaubt sich die Mannschaft nur zu Schichtbeginn – wo sich alle zum Gruss die Hand schütteln. «Auch in der Wartung herrscht Zeitdruck, denn die Flugzeuge müssen am nächsten Tag pünktlich am Gate stehen. Dennoch ist Sorgfalt der Sicherheit wegen oberstes Gebot», sagt Heimo und sagt: «Ohne die Freigabe vom Mechaniker hebt kein Flieger ab», da müssen auch Piloten und Fluggäste warten. Ein weiteres Gebot: «Wenn eine flug- oder sicherheitsrelevante Funktion ausfallen sollte, ist mindestens eine Reserve vorhanden», versichert Heimo. Hebt den Daumen zum Okay und wünscht seiner Truppe «eine angenehme Nachtschicht».

21:00

Nach India Juliett Juliett kommen 41 weitere Flugzeuge wieder nach Hause. Aber nur sieben Flugzeuge können sich von der langen Reise im Hangar erholen. Jene mit ­hohem Wartungsaufwand – bei Arbeiten an Trieb- oder Fahrwerk. Den Rest warten die Flugzeugmechaniker draussen vor dem Hangar. Jedermann weiss, woran er ist. Das wusste Urs Diener (44) aus Hohentengen am Hochrhein (D) vor 18 Jahren nicht, als er ­damals noch bei der Swissair als Flugzeugmechaniker anheuerte – mitten in den Wirren des Swissair-Groundings. «Über alle Bereiche wurden Tausende Leute entlassen», nur durch Glück stand sein Name nie auf einer roten Liste, ­erzählt Diener. Die Swiss entstand aus der damaligen Crossair und wurde 2005 von der deutschen Lufthansa AG übernommen. ­Heute arbeitet Diener immer noch im Hangar, dem einstigen Heim der Swissair-Flotte. Mittlerweile als Lead-Mechaniker. Auch weil ihm die besonderen Arbeitszeiten ­gefallen, ist er schon so lange am Werk. Die Nachtschicht ist im Fünf-Tages-Rhythmus organisiert. «Nach fünf Tagen Arbeiten habe ich immer fünf Tage frei», schwärmt der Hobbyfotograf von Eisenbahnen. Eine Nachtschicht dauert von 20.30 bis 7.30 Uhr. Gleich ins Bett könne er danach aber nicht. «Zu Hause wartet mein Hund Aischa aufs Gassi­gehen». Erst danach schläft er ­seine gewohnten acht Stunden. Isst um 17 Uhr Frühstück und ­bereitet sich danach für die ­nächste ­Nachtschicht vor.

23:00

Das Licht hat sich vollständig in den Hangar verschoben – Hunderte LED-Lichter ersetzen die untergegangene Sonne. Ab jetzt gilt für den gesamten Flughafen ­Zürich Abflug- und Landeverbot. Drei ­Mechaniker mit Trillerpfeifen weisen die letzten Flugzeuge vorsichtig ein. Schon leichtes ­Touchieren mit anderen Flugzeugen kostet in etwa so viel wie die vergoldeten Kabinentüren, die Tim Hagen (33) als Lehrling in Privatjets einbaute. Bei der Lufthansa Technik AG in Hamburg. Vier Jahre dauert die Lehre zum Polymechaniker mit Fachrichtung Flugzeugunterhalt in der Schweiz und in Deutschland. Tim Hagen hatte sie mit ­Bravour bestanden. «In Zukunft sehe ich mich selbst als Lehrmeister», sagt er. Doch vorher sei er ein Lernender. Im Hangar stehen fünf ­verschiedene Flugzeugtypen. An ­einem Typen zu schrauben, ­erfordert eine Lizenz, die ein Jahr Ausbildung voraussetzt. Erst dann darf ein Flugzeugmechaniker selbständig eine Checkliste ab­haken. «Für alle Arbeiten in der Flugzeugtechnik gibt es eine Liste», so Hagen. Wie beim Aufbau von ­einem Ikea-Regal, nur dass jeder Schritt exakt befolgt werden muss.

01:00

Eine Stunde nach Mitternacht gibt es «Zmittag» im Hangar. Die Nächte schweissen zusammen – Ersatz­teile und Kulturen. Weil bei der Swiss zahlreiche Mechaniker aus dem Ausland arbeiten, plaudert man am Mittagstisch auch mal Englisch – damit es alle ­verstehen. Auch die Du-Kultur hat sich eingebürgert. Jeder wird beim Vornamen angesprochen. Von jenen, die die Frontscheiben von klebrigen Mücken säubern, bis zur Geschäftsleitung.

05:00

Erste Sonnenstrahlen beginnen den LED-Lampen Konkurrenz zu machen. Die sieben Flugzeuge werden mit derselben Vorsicht auf das Feld zurückgebracht. In einer Stunde wird India Juliett Juliett wieder mit den ­Vögeln um die Wette fliegen.

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