Der neuste Mitarbeiter von Media Markt heisst Paul. Ab heute Donnerstag quatscht der lustige Verkaufsroboter Kunden im Geschäft im Zürcher Einkaufscenter Sihlcity an. Er soll für Spass beim Shoppen sorgen, die Jungen zurück in die Fachmärkte holen. Dabei an Pauls erstem Arbeitstag: Martin Rusterholz (54), am Zürichsee aufgewachsen, seit April neuer Schweizer Länderchef von Media Markt.
Bis vor einiger Zeit warb die Heimelektronik-Kette noch mit «Geiz ist geil» und damit, dass sie gar nicht blöd ist. Dann kam «Hauptsache ihr habt Spass», und dabei ist es bis heute geblieben.
Doch Europas Nummer 1 in der Heim- und Unterhaltungselektronik hat in der Schweiz einen schweren Stand. Die Marke kennt hierzulande zwar jeder, dennoch schrumpft das Geschäft: Betrug der Umsatz im 2010 noch 1,04 Milliarden Franken, sind es sechs Jahre später noch 748 Millionen – trotz neun zusätzlichen Fachmärkten. Andere Branchengrössen wie Interdiscount oder Melectronics wuchsen oder hielten die Umsätze in dieser Zeit zumindest stabil.
Schon wieder Umsatzeinbussen
Gerade erst Ende September hat Media Markt das Geschäftsjahr 2016/17 abgeschlossen. Auf den Umsatz seiner 27 Märkte angesprochen, schüttelt Rusterholz den Kopf: Zahlen dürfe er derzeit keine offenlegen, weil das Mutterhaus Ceconomy an der Börse ist.
Ist der Umsatz des ehemaligen Branchenprimus weiter gesunken und sogar unter die 700 Millionen Franken gerutscht? Das würde wenig erstaunen: Die ganze Branche hat im ersten Halbjahr 2017 laut eines Berichts der Marktforscher von GfK Switzerland weitere Umsatzverluste erlitten.
Müsste Media Markt jetzt nicht mehr Lärm machen? Als BLICK Rusterholz im Vorfeld der Roboter-Einführung zum Interview trifft, spricht er nicht mehr von Discountpreisen und schrillem Marketing. Wichtiger sei das Preis-Leistungs-Verhältnis. So heisst es jetzt in der Werbung: «0% Rabatt auf alles. Wer ständig Rabatte gibt, war vorher zu teuer.» Wie soll Paul das nur seinen Kunden verklickern?
«Bei uns verändert sich derzeit vieles», sagt Rusterholz. Angestossen habe er die Veränderungen in der Organisation und Struktur der Heimelektronik-Kette bereits im April. Kurz davor wurde der bisherige Media-Markt-Länderchef Karsten Sommer (48) nach Deutschland zurückbeordert. Und der langjährige Finanzchef verabschiedete sich in den Ruhestand.
Dem Antritt Rusterholz' folgten mehrere Entlassungen, Bereichsleiter verliessen das Unternehmen, sie seien aber intern ersetzt worden. «Es gab nichts Aussergewöhnliches. Wir haben einfach die Organisation angepasst und effizienter gemacht», so Rusterholz.
Fokus auf Online
Gleichzeitig tritt der neue Chef auf die Kostenbremse. «Heutzutage brauchen wir nicht mehr die ganz grossen Verkaufsflächen», sagt Rusterholz. Würden doch die Sortimente in den Fachmärkten tendenziell kleiner, aber das Online-Angebot von derzeit 250'000 Artikeln auf mittelfristig eine Million ausgebaut.
Die 28. Filiale, die Ende Oktober im Einkaufszentrum Gais in Aarau eröffnet wird, bestätigt den Trend zu weniger Verkaufsfläche: Sie ist mit 870 Quadratmetern der kleinste Media Markt in der Schweiz. «Wir tendieren in Zukunft zu kleineren Flächen», sagt Rusterholz, ohne eine Zahl neuer Filialen zu nennen.
Ein grosses Thema sei auch die Zentralisierung von Einkauf und Logistik. Jeder Media Markt in der Schweiz hat einen eigenen Geschäftsführer. Dabei bleibt es zwar, doch im Gegensatz zu früher sind heute der Einkauf und die Preisgestaltung zentralisiert. Auch werden alle Läden landesweit vom Zentrallager in Emmen LU aus beliefert.
Nicht zu beschönigen
Das ist nötig wegen des Online-Handels: Man habe bei Media Markt ursprünglich den Online-Boom verschlafen. «Da gibt es nichts zu beschönigen», sagt Rusterholz. Laut einer gestern Mittwoch publizierten Schätzung der Beratungsfirma Carpathia liegt der Online-Umsatz von Media Markt jetzt schon bei 64 Millionen Franken im Jahr – bloss 13 andere Onlineshops seien stärker. Digitec ist allerdings zehnmal grösser!
Rusterholz: «Die Online-Verfügbarkeit und zeitgenaue Belieferung der Kunden sind heute wichtiger als der tiefe Preis.»
Nicht nur in den Online-Handel, auch in die Fachmärkte will Rusterholz investieren. Der Kundenservice soll besser werden, er will «mehr Erlebnis im Laden» bieten. Er spricht von Workshops für Gruppen, um alles aus den gekauften Gadgets herausholen zu können. Kochkurse oder Drohnen-Flüge in den Filialen? «Auch so etwas gehört heute dazu», sagt Rusterholz.
Concierges holen den Kunden am Ladeneingang ab, an sogenannten Smartbars erhält man eine Schnellberatung für Reparaturen oder Umtausche. Ob das ausreicht? «Der Umsatz muss wieder nach oben gehen. Und das wird er auch», sagt Rusterholz. Die letzten Monate des eben zu Ende gegangenen Geschäftsjahrs seien vielversprechend verlaufen. «Unser Ziel ist es, auch in der Schweiz wieder die Nummer 1 zu werden», sagt Rusterholz.
Auf den digitalen Verkaufsmitarbeiter Paul dürfte da jedenfalls noch viel Arbeit zukommen.