In der Digital-Branche kursiert seit Jahren ein Spruch: Das Internet habe viel mehr für die Rettung des Regenwalds getan als jede Umweltschutzorganisation.
Wegen digitaler Magazine, E-Books, E-Mails und Websites braucht es eben immer weniger Papier für Briefe, Akten, Bücher und Co. Deshalb hat eine Branche zu kämpfen: Die Papier-Hersteller.
CPH-Gruppe übernimmt Kunden- und Altpapierlieferantenverträge
Nun setzt sich der Niedergang der Schweizer Papierindustrie fort: Ende Jahr stellt auch die Papierfabrik im bernischen Utzenstorf ihre Produktion ein. 200 Angestellte stehen vor der Entlassung.
Die bestehenden Kunden- und Altpapierlieferantenverträge werden von der Luzerner CPH-Gruppe übernommen. Die Perlen Papier AG wird ab 2018 die einzige Zeitungspapier-Fabrik der Schweiz sein, wie sie in einem Communiqué vom Dienstag bekanntgab. Mit der Übernahme sei das Altpapier-Recycling für die Schweizer Gemeinden sichergestellt.
Altpapier-Sortierwerk am Standort Utzenstorf wird weitergeführt
Das Luzerner Unternehmen muss künftig weniger Altpapier importieren, kann so die Rohstoffpreise senken und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Produkte verbessern. In Perlen werden ab 2018 jährlich gegen 500'000 Tonnen Altpapier aus inländischer Haushaltsammelware rezykliert.
Das Altpapier-Sortierwerk am Standort Utzenstorf wird weitergeführt. So können wohl etwa 20 Angestellte ihren Job behalten. Zehn Mal mehr blicken in eine ungewisste Zukunft: 200 weitere stehen vor der Entlassung. Nun folge das Konsultationsverfahren mit der Arbeitnehmervertretung, teilte die Papierfabrik Utzenstorf mit. Für einen allfälligen Sozialplan stünden genügend Mittel bereit, versicherte sie.
Papierpreise im Sinkflug
Die «Papieri» südlich von Solothurn kämpfte wegen sinkender Papierpreise seit längerem ums Überleben. Massgeblich verschlechtert hat sich die Lage laut Management durch die Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015.
Der starke Franken setzte der Fabrik wegen der hohen Exportquote von 50 Prozent zu. Zudem orientiert sich der inländische Papiermarkt an den Euro-Preisen.
«Papieri» bekam schon mal einen Schuldenschnitt
Schon Ende 2015 musste das Unternehmen restrukturiert und refinanziert werden. Ein Schuldenschnitt verschaffte etwas Luft. «Die Massnahmen haben leider nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der finanziellen Situation geführt», musste die Unternehmensspitze nun feststellen.
Mit dem Verkauf des Geschäfts ins Luzernische folge man «der industriellen Logik, dass langfristig in der Schweiz nur eine Zeitungspapierfabrik Bestand haben wird». Zum Übernahmepreis der Transaktion vereinbarten die beiden Parteien Stillschweigen.
Schliessung der Papierfabrik trifft die Region
Für Utzenstorf und die ganze Region ist die Fabrikschliessung ein harter Schlag. «220 Mitarbeiter trifft es an den 'Gring', das tut weh», sagte Gemeinderatspräsident Beat Singer auf Anfrage. Rund 85 Prozent der ganzen Belegschaft wohnen im Umkreis von 20 Kilometern.
Singer äusserte aber auch Verständnis für den Entscheid der Geschäftsführung. «Wir haben mitbekommen, wie sie zusammen mit der Belegschaft nach Auswegen suchte.» Man habe immer gehofft, dass dies gelinge. Zugleich sei klar gewesen, dass dies nicht einfach sei. «Dass es nun so schnell ging, hat uns schon erschreckt.»
2016 schloss drittletzte Papierfabrik
Wie wichtig die «Papieri» für Utzenstorf ist, zeigt sich auch an der Grösse: Das Fabrikareal erstreckt sich auf 230'000 Quadratmetern. Die Fabrik wurde 1892 gegründet.
Die Schweizer Papierbranche steckt seit langem in der Krise. 2010 wurde die Karton Deisswil in der Nähe von Bern stillgelegt, ein Jahr später war die «Papieri» Biberist im Kanton Solothurn am Ende. Die Laufenthaler Papierfabrik Ziegler musste 2016 die Segel streichen. (SDA/grv)