20 Tage nach dem Trump-Schock
Wie dick kommt es tatsächlich für die Schweiz?

Der Sturm nach der Schock-Wahl um das US-Präsidium hat sich gelegt. Zeit, um über die Folgen der Trumpschen Wirtschaftspolitik für die Schweiz nachzudenken. BLICK hat Ökonomen von links bis rechts befragt.
Publiziert: 30.11.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 11:13 Uhr
Donald Trump wurde am 9. November zum US-Präsidenten gewählt. Am 20. Januar 2017 tritt er sein Amt an.
Foto: Keystone
Ulrich Rotzinger

Erst am 20. Januar 2017 startet seine Präsidentschaft. Drei Wochen nach dem Sieg von Donald Trump (70) bei den US-Wahlen ist real bislang noch nichts passiert. Die Börsen steigen, der Dollar legt gegenüber Euro und Franken zu.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris spricht in ihrem neusten Bericht von einem Trump-Effekt. Sie rechnet dank dem angehenden Präsidenten mit einem schnelleren Wachstum der Weltwirtschaft.

Ist der Trump-Schock nur ein Schöckchen? Wie dick kommt es tatsächlich für die Weltwirtschaft, für die Schweiz? Und was ist das wahrscheinlichste Szenario für unsere Wirtschaft? Lesen Sie hier, was sieben von BLICK befragte Schweizer Ökonomen dazu sagen. 

Rudolf Minsch, Chefökonom Economiesuisse.
Foto: Keystone

Rudolf Minsch (49), Chefökonom Economiesuisse

«Die US-Wirtschaft nimmt Fahrt auf. Mit oder ohne Trump als Präsident. Das ist gut für die Weltwirtschaft und die Schweizer Exportindustrie. Aus Sicht der Schweizer Wirtschaft ist der Zugang zu den Weltmärkten essenziell. Wenn sich die USA stärker von der Welt abschotten, träfe das viele Schweizer Unternehmen hart. Ich gehe aber davon aus, dass die Suppe nicht so heiss gegessen wird, wie sie gekocht wird. Gerade die USA profitieren vom freien Handel und würden sich bei einer Abschottung längerfristig ins eigene Fleisch schneiden. Allerdings sind neue Freihandelsverträge wie TPP oder TTIP unter Trump wohl bis auf weiteres tot.»

Wahrscheinlichstes Szenario: «Das wahrscheinlichste Szenario für nächstes Jahr ist, dass die US-Wirtschaft zulegt und die Beschäftigung zunimmt. Trump wird dies dann als seinen Erfolgsausweis betrachten. Wahlversprechen könnten so rasch vergessen sein. Ein solides US-Wachstum ermöglicht es der Schweizer Wirtschaft, die Wachstumsschwäche in der EU und die Frankenstärke teilweise auszugleichen.»

Aymo Brunetti, ehemaliger Chefökonom des Bundes, Geschäftsführender Direktor Departement Volkswirtschaftslehre Universität Bern.
Foto: Nik Hunger

Aymo Brunetti (53), ehemaliger Chefökonom des Bundes

«Was ist nur Gerede und was wird tatsächlich angegangen? Trumps Programm ist deutlich unklarer als bei früheren US-Regierungswechseln. Es ist sehr schwierig, die Effekte auf die Weltwirtschaft abzuschätzen. Die Unsicherheit und damit die Risiken problematischer Wirtschaftspolitik sind aber gestiegen – und das ist in jedem Fall nicht gut für die Wirtschaftsentwicklung. Für die Schweizer Wirtschaft am problematischsten wäre eine starke Abschottung der USA gegen Importe, was globale Handelskonflikte heraufbeschwören würde. Der stark exportorientierten Schweiz würde das zusätzlich zur eh schon bedrohlichen Stärke des Frankens weitere Erschwernisse bringen.»

Wahrscheinlichstes Szenario: «Trumps bisherige Sprunghaftigkeit verunmöglicht praktisch eine Abschätzung möglicher Szenarien. Auf jeden Fall hat sich die Schweizer Wirtschaft in den letzten Jahren als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen, sodass ich nur bei stark negativen Szenarien einen deutlichen Rückschlag befürchte.»

Rudolf Strahm, SP-Politiker, Ex-Preisüberwacher, Ökonom.
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Rudolf Strahm (73), Ökonom und Ex-Preisüberwacher

«Unter Trump werden der Atlantik und der Pazifik breiter werden, und China wird seine wirtschaftliche Vorrangstellung weiter ausbauen können. Die Schweiz ist von Trumps Wirtschaftspolitik direkt wenig betroffen. Allerdings: Die Pharma wird wohl gewinnen, die Grossbanken werden wohl die Deregulierung bejubeln, und in der Wirtschaftspolitik wird der ideologische Antietatismus wieder hoffähiger werden.»

Wahrscheinlichstes Szenario: «Die grösste Wirkung geht davon aus, dass Trumps Wirtschaftspolitik weitere Staatsverschuldung der USA schafft. Erfahrungsgemäss entschulden sich die USA extern längerfristig stets über weitere Dollarabwertungen. Dies dürfte den Frankenkurs in Schwierigkeiten bringen.»

Daniel Kalt, UBS-Chefökonom.
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Daniel Kalt (46), Chefökonom UBS

«Kurzfristig wird Trump der US-Wirtschaft mit Steuersenkungen und Ausgabeprogrammen für Infrastrukturen wohl Schub geben. Das gibt indirekt auch der Weltwirtschaft und damit der Schweiz Rückenwind. Längerfristig gibt es hingegen Risiken. Für uns in der Schweiz wäre ein eskalierender Handelsstreit mit China und anderen grossen Wirtschaftsblöcken ein erhebliches Problem. Als kleine, extrem exportabhängige Wirtschaft würde die Schweiz in einem solchen Umfeld leiden.»

Wahrscheinlichstes Szenario: «Ich denke, es wird weniger schlimm kommen, als viele heute befürchten. Sicherlich müssen wir dafür auch darauf hoffen, dass Trump auf die gemässigteren Berater hört, die er in seinem Umfeld hat, und dass er viele seiner im Wahlkampf geäusserten, zum Teil extremen Pläne nicht eins zu eins umsetzt.»

Klaus W. Wellershoff, Finanzexperte, Ex-Chefökonom UBS.
Foto: Pixsil

Klaus Wellershoff (52), Finanzexperte, Ex-Chefökonom UBS

«Trumps Versprechungen zur Ankurbelung der US-Wirtschaft sind nach wie vor unrealistisch und nicht finanzierbar. Die Aufkündigung der Verhandlungen für eine Freihandelszone im Pazifik hat weltweit Verunsicherung ausgelöst. Der sich abzeichnende Aufschwung in den Schwellenländern ist nun wohl wieder fraglich geworden. Mittelfristig dämpft das auch das Wachstum der USA. Wenn die wichtigste Wirtschaftsnation Isolationismus praktiziert und den Welthandel torpediert, ist das für eine weltoffene exportorientierte Nation wie die Schweiz nur schlecht.»

Wahrscheinlichstes Szenario: «Allein betrachtet ist das schon schlimm. Kommt hinzu, dass der eigene Hang zum nationalen Alleingang schwere Schatten auf unsere Handelsbeziehungen zur EU wirft. Wir sägen ja auch noch selbst an dem Ast, auf dem wir sitzen.»

Reiner Eichenberger, Ökonom, Professor an der Universität Freiburg.
Foto: Sabine Wunderlin

Reiner Eichenberger (55), Professor für Volkswirtschaftslehre Uni Freiburg

«Die Börsensprünge reflektieren nur veränderte Erwartungen. Diese wurden offensichtlich besser. Eine Erklärung ist, dass manche Investoren erst nach der Wahl Trumps auch einmal ernsthaft über seine Stärken nachdachten. Das Problem ist weniger Trump als die bisherige Politik der USA. Bleibt zu fürchten, dass Trump es nicht besser macht als seine Vorgänger. Die Schweiz profitiert, wenn Trump die internationale politische und diplomatische Szene aufmischt und zu mehr Realismus zwingt, sodass die Weltpolitik wieder besser geerdet wird.»

Wahrscheinlichstes Szenario: «Für uns ist es gut, wenn es den USA gut geht. Noch wichtiger aber ist, dass es Europa und der EU gut geht. Die kommen aber nur mit strukturellen Reformen aus dem Loch. Mit Trump könnten die Chancen auf fruchtbare Impulse der USA auf Europa steigen. Das grösste Problem aber bleibt, dass, wenn die Schweiz gute Politik betreibt und sich wirtschaftlich gut entwickelt, die Zuwanderung zunimmt. Die völlige Personenfreizügigkeit senkt deshalb die Anreize der Schweiz zu guter Politik.»

Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).
Foto: Lunax

Daniel Lampart (48), Chefökonom Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB)

«Trump ist unberechenbar. Prognosen sind kaum möglich. Das angekündigte Investitionsprogramm wäre positiv. Wenn sich die USA hingegen abschotten und weniger importieren, ist das negativ für Exportländer wie die Schweiz. Denn die USA kaufen heute jährlich für rund 30 Milliarden Schweizer Produkte.»

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