15 Jahre Planungsarbeit
Thomas Jau hat den neuen SBB-Fahrplan ausgeheckt

Thomas Jau ist Herr über den Fahrplanwechsel. Dieses Jahr unter erschwerten Bedingungen. Der Leiter Planung SBB gibt zu: Sein Team leidet unter der ständigen Kritik wegen der Verspätungen.
Publiziert: 15.12.2019 um 10:22 Uhr
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Aktualisiert: 15.12.2019 um 16:44 Uhr
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Jetzt sieht die Abfahrtstafel anders aus – heute tritt der neue Fahrplan der SBB in Kraft.
Foto: Keystone
Livia Fischer

Wer morgen mit dem Zug zur Arbeit fährt, sollte nochmals die Verbindungen überprüfen. Heute tritt nämlich der neue Fahrplan der SBB in Kraft. Die Direktzüge von Basel nach Bern etwa verkehren jetzt eine bis drei Minuten früher als bisher. Der Mann hinter dem Fahrplan heisst Thomas Jau. Das SonntagsBlick Magazin hat den Leiter Planung SBB bei seiner Arbeit in Bern-Wankdorf besucht.

Der 49-Jährige aus Langenthal BE sitzt in einem Grossraumbüro. Einen fixen Platz hat er nicht – alles, was er zum Arbeiten braucht, sind ein Laptop und zwei Monitore. Und das Wichtigste: einen klaren Kopf. Er ist nicht nur dafür verantwortlich, dass der Fahrplanwechsel reibungslos funktioniert. Er ist dafür verantwortlich, dass es den jährlich wechselnden Fahrplan überhaupt gibt.

Neu-SBB-Chef Vincent Ducrot kennt den Prozess

Die Planungsphase dauert über ein Jahrzehnt, die Entstehung des Fahrplans ist hoch kompliziert. Das weiss auch der neue SBB-Chef Vincent Ducrot: 2002 hat der 57-Jährige als Delegierter für den öffentlichen Verkehr die Fahrpläne für die Expo.02 entwickelt. Jau fasziniert das Zusammenspiel von unendlich vielen Einflussfaktoren. Das Verfahren kurz und knapp zu erklären, fällt ihm schwer. Aber er nimmt sich Zeit; versucht, einfache Worte für die Bähnler-Fachbegriffe zu finden.

Die grösste Änderung im diesjährigen Fahrplanwechsel: der Léman Express. Stolz präsentieren die SBB die grösste grenzüberschreitende S-Bahn Europas. Schon vor 15 Jahren beantragte der Bund: bis 2020 sollen die Verbindungen zwischen Frankreich und der Schweiz im Genferseeraum ausgebaut werden.

Das müssen Sie zum Fahrplanwechsel wissen

Am Montag kommts zur Belastungsprobe für den neuen Fahrplan. Die ganz grosse Neuerung für Deutschschweizer Pendler bleibt dieses Jahr aus, denn der Ceneri-Tunnel eröffnet erst im Dezember 2020.

Für Berner gibts neu keine direkte Verbindung nach Paris mehr. Sie müssen nun in Basel umsteigen und sind deshalb eine halbe Stunde länger unterwegs. Insgesamt gibts aber mehr Verbindungen in die französische Hauptstadt und, dank neuer Züge, auch mehr Plätze.

Einige Beispiele: Mehr Verbindungen gibts etwa in der Region Zürich auf der S2 und S26, zwischen Rotkreuz ZG und Zug beziehungsweise Luzern. Vom neuen Fahrplan profitieren auch Schaffhauser. Für sie gibts mehr Direktverbindungen mit Zürich.

Zwischen Sissach BL und Olten SO fährt die S9 nachmittags in einem neuen Takt. Auf der Strecke von Turgi AG nach Aarau wiederum gibts dank der S29 einen Halbstundentakt.

Aufpassen müssen Pendler 2020 vor allem wegen der vielen Baustellen. Zahlreiche Strecken fallen zeitweise weg oder können nur eingeschränkt befahren werden. (jfr)

Am Montag kommts zur Belastungsprobe für den neuen Fahrplan. Die ganz grosse Neuerung für Deutschschweizer Pendler bleibt dieses Jahr aus, denn der Ceneri-Tunnel eröffnet erst im Dezember 2020.

Für Berner gibts neu keine direkte Verbindung nach Paris mehr. Sie müssen nun in Basel umsteigen und sind deshalb eine halbe Stunde länger unterwegs. Insgesamt gibts aber mehr Verbindungen in die französische Hauptstadt und, dank neuer Züge, auch mehr Plätze.

Einige Beispiele: Mehr Verbindungen gibts etwa in der Region Zürich auf der S2 und S26, zwischen Rotkreuz ZG und Zug beziehungsweise Luzern. Vom neuen Fahrplan profitieren auch Schaffhauser. Für sie gibts mehr Direktverbindungen mit Zürich.

Zwischen Sissach BL und Olten SO fährt die S9 nachmittags in einem neuen Takt. Auf der Strecke von Turgi AG nach Aarau wiederum gibts dank der S29 einen Halbstundentakt.

Aufpassen müssen Pendler 2020 vor allem wegen der vielen Baustellen. Zahlreiche Strecken fallen zeitweise weg oder können nur eingeschränkt befahren werden. (jfr)

55 Firmen nutzen die SBB-Schienen

Es sind Bund und Kantone, die das Angebot gestalten. Sie teilen der Planung SBB mit, welche Verbindungen sie in den nächsten Jahren gerne hätten. Spezialisten der SBB, darunter auch Jau und seine rund zwei Dutzend Mitarbeiter, schauen, ob sich die Forderung unter Berücksichtigung aller anderen Kunden realisieren lässt.

Insgesamt gibt es 55 Verkehrsunternehmen – von der BLS bis zur RhB –, welche die Schienen der SBB nutzen. Einerseits um Personen, andererseits um Güter zu transportieren. In diesem Zusammenhang spricht Jau immer wieder von «Stabilität» und «Robustheit». Die Werte haben oberste Priorität.

Ein neues Angebot wird nur in den Fahrplan aufgenommen, wenn es keine negativen Auswirkungen auf bestehende Verbindungen hat. Trotzdem gilt: «Als Massentransportmittel muss sich die Bahn auf die Bedürfnisse der Mehrheit ausrichten.»

16'500 neue Anträge pro Jahr

Jahrelang bereitet Jaus Abteilung einen Fahrplanwechsel vor, bezieht so viele Änderungswünsche wie möglich ein. Das Konzept legen sie dem Parlament vor. Bewilligt jenes den Entwurf, spricht es die benötigten Gelder frei – rund zehn Jahre vor Umsetzung. Dann konkretisiert die Planung SBB diese sogenannten Netznutzungspläne.

Exakte Abfahrtszeiten werden von den Planungsregionen Zürich, Olten, Lausanne und Bellinzona bestimmt – Jaus Team koordiniert. Wirklich fix ist der Fahrplan aber noch lange nicht. «Jedes Jahr treffen nochmals rund 16'500 Anträge für den kommenden Fahrplanwechsel bei uns ein», sagt Jau.

Planer leiden unter politischem Druck

Die ständige Kritik punkto Verspätungen macht dem Planungsteam zu schaffen. «Das setzt uns zusätzlich unter Druck», gesteht der Berner. Schliesslich sei es ihre Aufgabe, sicherzustellen, dass der Pendlerverkehr reibungslos funktioniere. Dass es nicht klappt, hat viele Gründe.

Der Leiter Planung SBB klagt über den enormen politischen Druck. Spontane zusätzliche Anträge haben einen dichten Fahrplan zu Folge. «Wir sind uns bewusst, dass es unheimlich knapp wird. Aber wir befinden uns in einer Sandwichposition», so Jau. Die SBB wollen es Bund und Kantonen recht machen, haben jetzt aber beschlossen: Künftig sollen die Ausbauwünsche kritischer beurteilt werden – zugunsten der Bevölkerung.

Kunden tragen Mitschuld an Verspätungen

Auch Schlechtwetter macht den SBB einen Strich durch die Rechnung. «Wir wissen, dass der Winter kommt», kontert Jau auf die Frage, ob sie denn tatsächlich immer wieder aufs Neue von der kalten Jahreszeit überrascht werden. Unvorhersehbare Situationen treten aber ständig auf. Weichenheizungen springen nicht an, Eisblöcke krachen auf den Boden oder Schneemengen sind zu hoch.

Manchmal liegt es aber auch an den Kunden. Bei starkem Schneefall legen Autofahrer ihren Arbeitsweg ausnahmsweise mit dem Zug zurück. Je mehr Leute einsteigen wollen, desto länger dauert der Fahrgastwechsel. Gleiches passiert bei Regen. Passagiere warten unter dem Perrondach – die Masse verteilt sich nur auf einzelne Türen, die Abfahrt verzögert sich.

Das Ende naht, die Erleichterung kommt

In den letzten Tagen waren Jau und sein Team damit beschäftigt, «eine Einführungs-Organisation auf die Beine zu stellen». Konkret: Auf neuen Strecken stehen den ÖV-Benutzern für Fragen jetzt vermehrt Ansprechpersonen zur Verfügung, und auch Bahnmitarbeiter werden in der ersten Zeit intensiv betreut. Als Koordinationsstelle verteilt Jau die Aufgaben innerhalb der Planungsteams. Feedback gibts täglich per Telefon.

«Ich bin auch nach der Umsetzung des Fahrplans extrem angespannt», gibt er zu. Seine ruhige Stimme verrät: Mit Stress kann Jau gut umgehen. Wirklich erleichtert ist er aber erst, wenn er merkt, dass die Durchführung des neuen Fahrplans funktioniert. «Das ist hoffentlich schon Mitte Woche der Fall», sagt Jau mit einem stillen Lächeln.

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