Die Nahrungsmittelindustrie setzt die Schweiz auf Zuckerentzug. Zum Beispiel Nestlé: Der weltgrösste Lebensmittelhersteller hat letztes Jahr aus Joghurts, Frühstücksflocken und Co. 111 Tonnen Zucker entfernt. In den drei Vorjahren nahm der Konzern einen Zuckerberg von 116 Tonnen heraus, wie Nestlé-Sprecherin Marianna Fellmann gegenüber BLICK preisgibt.
Andere Hersteller forcieren ebenfalls die Zuckerentwöhnung: Coca-Cola HBC Schweiz, so heisst die Schweizer Tochter des US-Multis, habe den Zuckergehalt ihrer Getränke in den letzten 15 Jahre um 19 Prozent reduziert, erklärt Sprecherin Slavena Novakovic. Doch nicht überall ist Coca-Cola bereit, am Zuckergehalt zu schrauben. So hat Fanta in der Schweiz mehr als doppelt so viel Zucker wie in Grossbritannien, wo ab 10 Gramm pro Dezi eine Steuer fällig wird. Bei den Schweizer Konsumenten fiel die Light-Version bei Tests durch.
Kunden beklagen zu viel Zuckerreduktion
Auch die Milchverarbeiter sind weniger süss unterwegs: Joghurts und Quarks von Emmi haben heute 10 bis 30 Prozent weniger Zucker als vor 25 Jahren. Allerdings hat es der grösste Schweizer Milchverarbeiter auch schon übertrieben. Bei der Joghurt-Linie Yoqua hat man so viel Zucker rausgenommen, dass die Nachfrage einbrach. Darauf verschwanden die entsüssten Produkte aus den Verkaufsregalen.
Ein Reduktions-Champion unter den Firmen lässt sich nicht ermitteln. Denn jeder Hersteller hat seine eigenen Ziele und Messperioden. Der französische Milchverarbeiter Danone etwa weist die Zuckerreduktion für die Produkte einzeln aus und setzte per 2020 Nährwertziele mit maximalen Zucker-, Fett- und Proteinanteilen.
- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, die Zufuhr von zugesetztem Zucker auf maximal 10 Prozent der täglichen Energiezufuhr einzuschränken.
- Bei einem Konsum von 2000 kcal entspricht das 50 g Zucker.
- Der durchschnittliche Schweizer nimmt pro Tag 110 g Zucker zu sich. Das entspricht 19 Prozent der Gesamtenergiezufuhr und ist damit doppelt so viel wie empfohlen.
- Isst jemand einen Becher (180 g mit durchschnittlich 17 g Zucker) Joghurt mit einer Portion Frühstückscerealien, nimmt er bereits mehr als die Hälfte der von der WHO empfohlenen Menge Zucker zu sich.
- Der Begriff «zugesetzter Zucker» bezieht sich auf Saccharose, Fruktose, Glukose, Stärkehydrolysate und andere isolierte Zuckerpräparate. Auch Honig und Ahornsirup zählen zum zugesetzten Zucker.
- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, die Zufuhr von zugesetztem Zucker auf maximal 10 Prozent der täglichen Energiezufuhr einzuschränken.
- Bei einem Konsum von 2000 kcal entspricht das 50 g Zucker.
- Der durchschnittliche Schweizer nimmt pro Tag 110 g Zucker zu sich. Das entspricht 19 Prozent der Gesamtenergiezufuhr und ist damit doppelt so viel wie empfohlen.
- Isst jemand einen Becher (180 g mit durchschnittlich 17 g Zucker) Joghurt mit einer Portion Frühstückscerealien, nimmt er bereits mehr als die Hälfte der von der WHO empfohlenen Menge Zucker zu sich.
- Der Begriff «zugesetzter Zucker» bezieht sich auf Saccharose, Fruktose, Glukose, Stärkehydrolysate und andere isolierte Zuckerpräparate. Auch Honig und Ahornsirup zählen zum zugesetzten Zucker.
Die Fitnesskur der Danone-Produkte über die Jahre lässt sich am Beispiel der Danonino-Quarks illustrieren. Seit 1981 wurde ihnen 37 Prozent des Zuckers entzogen. «Eine grosse Reduktion auf einen Schlag tragen die Konsumenten nicht mit, man muss schrittweise vorgehen», sagt Danone-Ernährungsexpertin Mira Koppert. Das 2013 eingeführte zucker- und fettfreie Actimel nahm Danone wieder vom Markt.
Kein kalter Entzug
Während die Nahrungsmittelmultis in Ländern wie Mexiko, Grossbritannien und Frankreich wegen Steuern dem Zucker auf den Pelz rücken, gibt es in der Schweiz nur freiwillige Anreize. Immerhin tragen die meisten grossen Hersteller die von Gesundheitsminister Alain Berset (46) 2015 initiierte Erklärung von Mailand mit. In der Folge sank der Anteil von zugesetztem Zucker in Joghurts zwischen Herbst 2016 und Herbst 2017 um 3 Prozent. Gemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) wurde der Anteil in Frühstückscerealien gleichzeitig um 5 Prozent reduziert.
Dieses Jahr mussten die Hersteller gemäss dem erweiterten Mailänder-Ziel nochmals Zucker in ähnlichem Umfang abbauen. Laut den Produzenten wurden die Ziele erreicht. Mit Ausnahme der Schokolade-Quarks sei man auf Kurs, heisst es etwa bei der Migros.
Zucker-Reduktion einseitig
Der Zuckerberg soll weiter abgetragen werden. Danone entwickelt derzeit Reduktionsziele für die Zeit nach 2020. Coca-Cola will bis 2025 ein Viertel weniger Zucker verwenden. Coop weitet den Entzug auf Produkte wie frische Suppen aus. Nestlé will die beliebten Stalden-Cremes in die Diät schicken.
Dennoch schaffen die Anstrengungen der Industrie den überhöhten Zuckerkonsum in der Schweiz nicht aus der Welt – er ist mehr als doppelt so hoch wie die Empfehlung der WHO. Die Bemühungen haben zudem einen Haken. Sie konzentrieren sich in erster Linie auf «vermeintlich gesunde Produkte». Dabei werden Produkte wie Softdrinks, Schokolade oder Kuchen von der Reduktion in der Mailänder Erklärung ausgelassen. Laut Empfehlung des BLV sollten diese nur selten konsumiert werden.
Tatsächlich werden sie aber häufiger konsumiert als es die BLV-Empfehlung möchte, sagt Ernährungsexperte David Fäh von der Berner Fachhochschule. «Die Empfehlung nützt also nicht viel.» Fäh ist überzeugt, dass sich die Toleranz für weniger Zucker antrainieren lässt. Der Entzug sollte schrittweise und möglichst bei allen Lebensmitteln gleichzeitig geschehen. Beim Brot, das heute weniger Salz enthält als vor 10 Jahren, habe das auch geklappt.