BLICK: Ramon, viele Österreicher waren in den letzten Wochen trotz den Schweizer Erfolgen euphorisch, weil Marcel Hirscher auf der Reiteralm eine Trainingseinheit mit dem ÖSV-Team absolvierte. Haben Sie auch an ein Comeback des achtfachen Gesamtweltcupsiegers geglaubt, als Sie auf Instagram sein Trainingsvideo sahen?
Ramon Zenhäusern: Es hat wirklich sehr stark ausgesehen, wie er in diesen Trainings die Tore gemeistert hat. Da fuhr er ja offenbar sechsmal Bestzeit gegen die anderen Österreicher. Vom Niveau her würde ich ihm ein Comeback im Weltcup schon zutrauen.
Hirscher hat mittlerweile klar gemacht, dass er nicht an eine Rückkehr in den Ski-Zirkus denkt. Sind Sie froh darüber?
Ich hätte es witzig gefunden, wenn er zurückgekommen wäre. Wir haben ja seit seinem Rücktritt zwei Jahre üben können, damit wir ihn mal schlagen könnten (lacht).
Wollen Sie damit sagen, dass Sie dem grossen Hirscher bei einer Rückkehr eine regelrechte Packung verpasst hätten?
Nein, das nicht (lacht). Aber für den Skisport hätte ich es begrüsst, wenn diese grossartige Persönlichkeit zurückgekommen wäre. Aber mittlerweile geht er eben lieber mit seinen Kollegen im Pulverschnee oder Motocross fahren.
Sie glauben, dass Hirscher eines Tages mit dem Motorrad bei Paris–Dakar startet?
Ja, das kitzelt ihn wohl mehr als eine Rückkehr in den Weltcup.
Mark, Sie haben Ihren Rücktritt als Profisportler zwei Jahre vor Hirscher erklärt. Wie lange haben Sie unter Entzugserscheinungen gelitten?
Mark Streit: Am Anfang hatte ich sehr Mühe. Ich habe das Spiel vermisst, die Kollegen, die Stimmung im Stadion, den Nervenkitzel. Ich hatte lange Mühe, NHL-Spiele zu schauen. Schweizer Spiele waren einfacher. Da hatte ich mehr Distanz. Aber bei NHL-Übertragungen hat es mich wirklich brutal gefuchst, nicht mehr dabei zu sein.
Können Sie mittlerweile auch das Geschehen in Nordamerika wieder entspannter verfolgen?
Ja, klar. Ich verfolge die NHL gerne, gerade Spieler, die ich kenne oder zu denen ich einen Bezug habe. Aber zuletzt, als ich mit dem SCB wieder auf dem Eis stand, habe ich erneut gespürt, dass es das Schönste im Sport ist, selber zu spielen.
Christian Stucki, weil Sie als Schwinger Amateur-Status haben, dürfen Sie pandemiebedingt derzeit kein Training mit Körperkontakt ausüben. Werden Sie sich so schnell wie möglich gegen Corona impfen lassen?
Christian Stucki: Ich sagte schon einmal: Nein, in einer ersten Phase auf keinen Fall. Um einen normalen Impfstoff richtig zu testen, braucht es im Normalfall 10 bis 15 Jahre. Das Ganze wurde jetzt in knapp zehn Monaten durchgeboxt. Für mich ist es noch keine Option, mir eine Spritze geben zu lassen.
Matthias Sempach, während der ersten Corona-Welle haben Sie in einem Gespräch mit SonntagsBlick gesagt, dass Sie auf Ihrem ziemlich abgelegenen Bauernhof im Entlebuch nicht viel von Corona merken. Ist das immer noch so?
Matthias Sempach: Wenn ich daheim bin, ist es wirklich noch so. Wir sind hier auf fast 1000 Metern. Der Pöstler kommt regelmässig. Manchmal kommt Besuch. Aber es gibt Wochen, da gehe ich vielleicht einmal ins Dorf. So kann es auch sein, dass ich drei, vier Tage keinen Menschen mit Schutzmaske sehe.
Gibt es in ihrem Bekanntenkreis Menschen, die richtig heftig von Corona getroffen worden sind?
Ich kenne zwei Personen, die ins Spital mussten. Im Freundeskreis war der eine oder andere betroffen. Das waren aber alles glimpfliche Fälle. Im engsten Umkreis aber gab es zum Glück keinen Fall.
Sie sind ein grosser Fan der SCL Tigers. Machen Sie sich Sorgen, dass die Langnauer, die schon vor der Pandemie von finanziellen Sorgen geplagt wurden, wegen Corona von der grossen Eishockey-Bühne verschwinden könnten?
Ich mache mir um verschiedene Branchen Sorgen. Natürlich auch um die Tigers – zumal der Klub aus einer Randregion kommt, dem schönen Emmental, und die haben es generell schwierig. Der Zustupf des Bundes hat ihnen sicher ein bisschen geholfen. Ich hoffe, dass sie überleben und es weitergeht.
Haben die Tigers auch einen finanziellen Zustupf von König Sempach erhalten?
Ja. Die Tigers haben mich oft eingeladen, ich habe oft von ihnen profitiert. Darum wollte ich jetzt mal mit einer Geldspende was zurückgeben.
Mark, sie haben im letzten Frühling genau wie Roman Josi ein beträchtliches Aktienpaket des SCB gekauft. Glauben Sie in dieser Krise noch daran, dass Ihre Investition eines Tages einen Gewinn abwirft?
Streit: Klar, die Situation ist prekär. Die Krise betrifft ja nicht nur den Fussball, das Eishockey oder das Schwingen, sondern die ganze Wirtschaft. Sport ist ein wichtiger Wirtschaftszweig. Und er hat auch eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft. Nun ist ein Überlebenskampf angesagt. Man muss irgendwie durchkommen – mit der Unterstützung des Bundes und dank der Solidarität der Saisonkartenbesitzer, der Sponsoren und Gönner. Mein Engagement ist eine Herzensangelegenheit, aber es hat sicher nicht Priorität. Ich hoffe, dass wir alle mit einem blauen Auge aus dieser schweren Zeit kommen.
Seit dem Rücktritt von Cheftrainer Don Nachbaur sind sie noch näher an die erste Mannschaft des SCB herangerückt und fungieren als Berater des neuen Trainers Kogler. Welchen Eindruck haben Sie vom Österreicher?
Mit Kogler habe ich schon in der U20 zusammengearbeitet. Ich hatte immer einen guten Eindruck von ihm. Er ist fachlich sehr kompetent, international erfahren. Und bei ihm ist das Zwischenmenschliche sehr ausgeprägt. Er kann sich sehr gut ausdrücken, ist sehr kommunikativ. Er ist topmotiviert und macht das bislang ausgezeichnet. Meine Rolle ist eher unterstützend. Und trotzdem bin ich natürlich viel häufiger in der PostFinance-Arena als noch vor ein paar Wochen.
Ramon, in welcher Sportart kennen Sie sich besser aus: Eishockey oder Schwingen?
Zenhäusern: Früher war ich natürlich eher im Hockey zu Hause. Ich habe ja bei den Piccolos gespielt und war oft auf der Schlittschuhbahn. Zudem nahm mich mein Vater, der Spiele kommentierte, oft ins Stadion mit. Schwingen war lange nicht so populär im Wallis. Aber ich war schon auf der Moosalp an einem kantonalen Schwingfest, und als Chrigel Stucki in Zug Schwingerkönig wurde, habe ich selbstverständlich direkt vor Ort zugesehen. Darum interessiert mich Schwingen je länger je mehr.
Vor ein paar Jahren haben Sie einmal ein Schwing-Training bei Nöldi Forrer im Toggenburg absolviert und im letzten Jahr waren Sie in Stuckis Haus in Lyss zu einem Thai-Curry eingeladen. Wo haben Sie sich wohler gefühlt?
Definitiv bei Stuckis Thai-Curry (lacht). Bei Forrer hat es «tätsch-bumm» gemacht – und ich lag auf dem Boden.
Matthias, stimmt es eigentlich, dass Nöldi Forrer immer noch Persona non grata bei Berner Schwingern ist, weil er 2011 nach dem Gang gegen Willy Graber «gang doch gä buurä du Chrüpeli» gesagt hat?
Sempach: Ich habe nichts davon gehört. Mir wurde es erzählt. Wer Forrer kennt, weiss, dass er nicht gerne verliert. Ich glaube, er hat damals gestellt. Und dann hat er in der Emotion etwas gesagt, das er nicht mehr sagen würde – wie es uns allen mal passiert. Er hat sich danach entschuldigt. Solche Dinge sind anderen auch schon passiert.
Mark, Sie waren damals als Zuschauer am Unspunnen in Interlaken. Waren Sie als Eishockey-Profi schockiert darüber, dass es auch im Schwingsport Trash-Talk gibt?
Streit: Da war ich schon überrascht. Ich sass nahe am Ring und habe den Gang hautnah miterlebt. Willy Graber wehrte sich wie ein Löwe, und Nöldi brachte ihn nicht auf die Schulter. Die Berner hatten Freude, Nöldi war frustriert. Ich weiss, wie das ist, wenn du ausgepumpt bist, todmüde, frustriert. Dann rutscht dir schon mal etwas raus, das du hinterher bereust. Das kann passieren. Wichtig ist dann: Hinstehen, dich entschuldigen. Bei uns im Stadion mit Zuschauern würde man sowas natürlich gar nicht erst hören.
Was war das Schlimmste, was Sie sich in ihrer NHL-Laufbahn von einem Gegenspieler anhören mussten?
Ich habe immer mein Spiel gespielt und mich eigentlich nicht darauf eingelassen. Was genau gesagt wird? Das gehört eher nicht hierher… (lacht). Aber klar: Es gibt Spieler, die das brauchen. Ohne diese Emotionen funktionieren sie nicht. Da geht es dann oft um die Frau oder die Freundin. Teils kann man darüber lachen, teils ist es unter der Grürtellinie. Es hat alles seine Grenzen.
Christian, Sie haben 2014 ihren Kumpel Mark Streit in den USA besucht, als er bei den Philadelphia Flyers tätig war. Welche Eindrücke sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Stucki: Die Dimensionen, die Stadien haben mich beeindruckt. So viele Leute auf einem Haufen, Es ist anders als bei uns. Sie trinken Bier, essen Popcorn, sie unterstützen den Klub nicht so laut wie zum Beispiel die Stehrampe des SCB. Das Volk tobt nur bei einem Tor oder einem groben Foul. Sonst ist es eher ruhig. Es geht friedlich zu und her. Das ist eindrücklich.
Und nach dem Spiel der Flyers gegen die New York Rangers sind Sie in den Katakomben dem 1,48 Meter kleinen Hollywood-Star Danny de Vito begegnet
Ja, als wir in New York waren. Wir wollten zu Streit in die Kabine, und Danny De Vito lief plötzlich neben der Eismaschine vorbei. Eigentlich wollte ich anhalten und mit ihm ein Foto machen. Es ging dann aber zu schnell, weil ich meinem Leitwolf vom BLICK nachgerannt bin. Ich habe dieses Selfie dann sausen lassen. Aber das hätte sicher ein gutes Foto gegeben – wie beim Film «Twins», in dem de Vito mit Schwarzenegger gespielt hat (lacht).
Mark, Chrigu hat damals in Ihrem Gästezimmer gewohnt. Wie oft mussten Sie in dieser Woche wegen Ihrem «bösen» Gast den Kühlschrank nachfüllen?
Stucki: Sag nichts Falsches…
Streit: Ganz selten. Wir waren schon vorher Kollegen, und trotzdem lernt man jemanden erst besser kennen, wenn man zusammen wohnt. Ich hatte mich sehr auf ein gemeinsames Frühstück gefreut und extra 24 Eier gekauft. Ich war dann völlig konsterniert, als er nur zwei Spiegeleier wollte. Ich begriff das nicht. Ich dachte, er wolle sicher acht oder zwölf Eier – aber doch nicht zwei. Da ging eine kleine Welt unter für mich (lacht).
Stucki: Ich dachte, ich müsse ein gutes Bild hinterlassen. Aber wir können das mit den acht Eiern gerne nachholen. Kein Problem.
Matthias, auch Sie essen sehr gerne grosse Portionen und in ihrer Aktivzeit hatten Sie ein Kampfgewicht von 112 Kilo. Seit Ihrem Rücktritt im Sommer 2018 scheinen Sie aber einige Kilos verloren zu haben. Oder täuscht dieser Eindruck?
Sempach: Das stimmt, ich habe 15 Kilo verloren. Seit dem Rücktritt war ich nie mehr in einem Ausdauer- oder Krafttraining. Ich habe einmal im Monat ein Schwingtraining geleitet. Sonst habe ich nichts gemacht. Aber ich habe genetisch Glück und war schon immer eher schmal. Darum habe ich auch die Kilos verloren.
Ramon, wie mühsam ist das Leben im Ski-Zirkus in diesen Corona-Zeiten?Zenhäusern: Das mühsamste sind die vielen Stäbchen, die ich mir für die Corona-Tests schon durch die Nase schieben lassen musste. Vor jedem Rennen musst du zwei bis drei Tests machen – und immer, wenn du anreist. Aufpassen muss man auch beim Essen. Wir essen nur an Einer- oder Zweiertischen und nie mit Fahrern anderer Nationen.
Es soll Spitzensportler geben, die aus Angst vor einer Ansteckung sogar bei Ihren Freundinen auf Distanz gehen.
So weit gehe ich nicht. Ich habe das mit meiner Freundin diskutiert. Sie muss schon auch schauen, dass sie möglichst viele Kontakte vermeidet. Es wäre schon verdammt mühsam, wenn man zehn Tage in Quarantäne müsste, gerade im Januar, wenn wir so viele Rennen haben. Unter Umständen kannst du mehr als die Hälfte der Saison verpassen, wenn du Ende Januar zehn Tage fehlst.
Mark, wie viel Geld würden Sie darauf wetten, dass Ihr SCB in dieser Saison mindestens die Playoff-Halbfinals erreicht?
Streit: Ich habe trotz der Schwierigkeiten im Moment ein gutes Gefühl. Die Jungs arbeiten echt hart. Es herrscht eine gute Stimmung. Viel im Spiel ist positiv. Ein Aufwärtstrend ist zu erkennen. Wir schiessen einfach zu wenig Tore. Aber das kann und wird sich ändern. Das Ziel ist es mal, in die Playoffs zu kommen. Ist man mal drin, ist sehr vieles möglich. Erst müssen wir aber den Turnaround schaffen. Das braucht harte Arbeit und einfach mal ein bisschen Glück.
Christian, glauben Sie zurzeit daran, dass die Schwingfeste im kommenden Sommer wie geplant stattfinden?
Stucki: Ich hoffe schwer, dass wir so bald wie möglich ins Sägemehl und trainieren können. Und dass wir ohne grosse Verluste die Schwingfeste durchführen können – sei es ohne Zuschauer oder mit nur wenigen. Das ist besser als nichts. Zudem hoffe ich, dass wir die beiden Grossanlässe Ende Saison durchbringen, wenn auch in kleinerem Rahmen. Für den Schwingsport wäre es gut, könnten wir wieder in die Hosen steigen.
Matthias, Sie mussten im Oktober den Muni schlachten lassen, mit dem Sie 2013 bei ihrem Triumph am Eidgenössischen in Burgdorf belohnt wurden. Hängt das Fell von «Fors vo der Lueg» schon in der Schwingerstube?
Sempach: Nein, der Gerbungsprozess dauert noch ungefähr zwei Monate. Aus der Hälfe des Felles gibt es wohl Kissen. Die andere haben wir ledern lassen – daraus machen wir wohl Gurte und Ähnliches. Ich warte noch darauf. Ich wollte aus den Nebenprodukten etwas Schönes machen. Und ein Gurt von meinem Königs-Muni ist doch ein schönes Andenken.