Zwölfjährige Patti Zhou zeigt ihre Halfpipe-Skills
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Trainingslager in Saas-Fee:Zwölfjährige Patti Zhou zeigt ihre Halfpipe-Skills

Wunderkind in der Halfpipe
Diese 12-Jährige lässt Weltstars alt aussehen

Sie ist gerade mal zwölf Jahre alt und versetzt gestandene Athleten und Coaches in Staunen. Die Chinesin Patti Zhou könnte der nächste grosse Star in der Halfpipe werden – auch wenn sie persönlich andere Ziele hat.
Publiziert: 02.11.2023 um 19:05 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2023 um 09:17 Uhr
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Patti Zhou im Oktober in Saas-Fee. Hier trainierte sie mit der Weltelite auf dem Fee-Gletscher.
Foto: Nina Köpfer
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Nina KöpferRedaktorin Sport

Was war Ihre liebste Beschäftigung, als Sie zwölf Jahre alt waren? Comics lesen? Zeichnen? Mit Freunden fangen spielen? Vermutlich geht es in diese Richtung. Die zwölfjährige Chinesin Patti Zhou hingegen liebt nichts mehr, als mit ihrem Snowboard die fünf Meter hohe Wand einer pickelharten Halfpipe runterzubrettern und auf der anderen Seite einen Rückwärtssalto mit Schraube zu springen. So wie sie es diesen Herbst zwei Wochen lang in Saas-Fee VS tat. Im wichtigsten Trainingslager der Saison stahl die kleine Snowboardqueen Olympiasiegerinnen und Weltmeistern gleichwohl die Show.

Auch dem abtretenden Nati-Coach des Schweizer Halfpipe-Teams, Pepe Regazzi, fiel Zhouauf: «Es ist abartig, was sie drauf hat», sagt er zum Riesentalent. Total überrascht ist er aber nicht. «Zwischen fünf und fünfzehn Jahren werden die Grundsteine gelegt. Wenn man in dieser Zeit vor allem an der Koordination arbeitet, kann was Grosses herauskommen.»

Sie fährt an der Weltspitze mit

Das ist bei Patti ganz offenbar der Fall. Mit zwei Jahren stand sie zum ersten Mal auf einem Snowboard, ihre Eltern besassen ein Schneesportgeschäft. Doch erst als die Familie nach einem Trip in die USA während Corona nicht mehr zurück in die Heimat Peking reisen konnte, nahm Pattis Karriere richtig Fahrt auf.

Im vergangenen Winter wurde das Talent zum ersten Mal an die Dew Tour eingeladen, einer Wettkampfserie für Freestyle-Sportarten. In der Superpipe, der XL-Version der Halfpipe, raste sie direkt zu Silber. Noch nie hatte es eine so junge Fahrerin aufs Podest geschafft. In den USA wird Zhou seitdem als «the next big thing» in der Disziplin Halfpipe gehandelt. Sie werde den Sport revolutionieren. Im Januar folgt aller Wahrscheinlichkeit nach die Einladung an die X-Games, dem neben WM und Olympia wichtigsten Freestyle-Wettkampf der Welt. Läuft alles wie bisher, wird das Supertalent um die Podestplätze mitfahren.

Der Spass steht noch im Vordergrund

Berechtigterweise kommt die Frage auf, wie Zhou so jung schon so gut sein kann. Wer nun an chinesische Sportinternate denkt, wo Kinder mit Härte und eiserner Disziplin bis zur Erschöpfung trainieren, liegt im Fall von Patti Zhou falsch. Ihre Freude und Begeisterung für den Sport ist echt, das sieht man ihr an. Das ist ein Grund, warum die Chinesin so stark ist, davon ist Pepe Regazzi überzeugt. Ein Weiterer sei ihre Trainingsmethode. Zhou verbringt im Sommer jede freie Minute auf dem Skate- oder Surfboard.

Zum Schluss kommt eine ideale finanzielle und familiäre Ausgangslage hinzu: «Wer in diesem Alter bereits so stark sein will, muss auf privater Basis gefördert werden. Die Familie übernimmt den Grossteil der Verantwortung. Die Verbände haben dafür oft nicht genügend Mittel», so Regazzi. Freestyle sei ein elitärer Sport geworden, auch wenn es schmerze, das zu sagen.

Grosser Druck auf schmalen Schultern

So aussergewöhnlich ihre Skills auf dem Board sind, so durchschnittlich ist die quirlige Zwölfjährige abseits des Schnees. Beim Treffen in Saas-Fee hat sie fast genauso viele Fragen an die Journalistin wie umgekehrt. Warum läuten die Kirchenglocken so oft? Warum sind Europäer so gross? Sind alle Schweizer Dörfer so hübsch? Schnell verfliegt das Bild der chinesischen Spitzensportlerin und wird durch das eines ganz normalen, neugierigen Mädchens ersetzt.

Fragt man sie nach ihrem grössten Traum, lautet die Antwort auch nicht Olympiagold. «Ich will mit dem Snowboard und dem Surfbrett um die ganze Welt reisen und viele Leute kennenlernen», sagt das Wunderkind stattdessen mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. «Und vielleicht ein Buch mit Witzen schreiben.» Und Olympia ist kein Thema? Doch, natürlich. «Ich will als Sportlerin erfolgreich werden, damit ich meinen Eltern ein Haus kaufen kann», erzählt die Zwölfjährige, ruhig und ernsthaft.

Sie weiss, welche Opfer ihre Familie bringt, damit sie ihre Leidenschaft ausüben kann. Dazu gehört, dass die Eltern Wohnung und Geschäft in Peking verkauft haben. Mit Sposorendeals verdient Patti bereits jetzt Geld. Allerdings zu wenig, um das Leben und die Reiserei einer vierköpfigen Familie zu bezahlen. Bis sie im Weltcup mitmischen darf, dauert es noch drei Jahre. Auch wenn im Moment der Spass im Vordergrund steht – der Druck auf Patti ist schon jetzt enorm.

Wo ist das Limit?

Auch Halfpipe-Coach Regazzi sieht diesen Aspekt kritisch. «Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, ob sie eine lange Karriere vor sich hat, oder schon mit 24 verheizt ist.» Denn Zhou sei zwar gut, aber eben doch noch ein Kind.

Wie sehr darf man sie jetzt pushen, damit sie vorne mitfährt? Wie viel Freiraum soll man ihr lassen, damit sie den Spass nicht verliert? Diese Gratwanderung ist heikel. Und wohl auch der Grund, warum die Schweiz noch nie ein solches Talent hervorgebracht hat, sagt Regazzi, trotz der perfekten Infrastruktur hierzulande: «Freestyle soll Spass machen. Uns ist es extrem wichtig, dass eine gesunde Balance besteht zwischen Leistung und Freude. Denn nicht jede muss die Beste werden.»

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