Es gab die Schoch-Brüder, dann kam Patrizia Kummer, schliesslich Nevin Galmarini. Seit Alpin-Snowboarden olympisch ist, mischen die Schweizer in der Sportart ganz vorne mit. Und die nächste Generation ist schon da. Einer davon: Dario Caviezel (25).
Der Bündner hat in der vergangenen Saison den Knopf aufgemacht, mit Platz 3 in der Slalom-Weltcupwertung seine Ambitionen für grosse Aufgaben angemeldet. «Er gibt Vollgas», sagt Olympiasieger Galmarini über seinen jüngeren Teamkollegen. «Dario hat gecheckt, worum es geht. Er hat das Zeug, ganz vorne mitzumischen.»
Tattoos überdecken Pigmentstörung
Dass Caviezel Gefühl für Schnee und Brett hat, zeigt sich relativ schnell. Was im Rennen nicht zu sehen ist: seine tätowierten Beine. Die liegen gut versteckt unter dem Rennanzug. Dabei lohnt sich der Blick darauf: Gestochen scharf sind die Tätowierungen, nahezu fotorealistisch hat der spanische Künstler Rodrigo Piedrabuena die Beine des Weltklassesnowboarders bebildert. Ein Teil der Motive stammt aus dem Marvel-Comic «Viking».
Fürs SonntagsBlick-Shooting stellt sich Caviezel in Shorts aufs Snowboard. «Viele der Bilder haben keine tiefe Bedeutung, sie gefallen mir einfach», sagt Caviezel. Zum Tattoo-Freak wurde er aber auch aus ganz ernsthaftem Grund: Mit den Tätowierungen lässt sich seine Pigmentstörung überdecken.
«Die Haut an meinen Beinen war davor sehr hell, fast weiss», sagt Caviezel. «Mit den Tätowierungen haben sie endlich Farbe bekommen.» Als ob er die Kontrolle über den Körper zurückgeholt hätte. Zum Herantasten gabs allerdings erst noch ein simples Motiv: Auf den Arm tätowierte sich der Federer-Fan die Koordinaten aller vier Grand-Slam-Stadien. «Ich wollte etwas, das nicht jeder hat und das etwas aussagt. Einfach Roger Federer auf den Arm schreiben, das wäre doch etwas peinlich», sagt er. «Damit habe ich es ausprobiert.»
80 Stunden unter der Nadel
Erst dann ging es an die spektakulären Passagen. «Die Motive haben wir zusammen entwickelt, Rodrigo hat sie selber gezeichnet. Man baut schon eine Beziehung zum Tätowierer auf, wenn man insgesamt rund 80 Stunden unter der Nadel liegt und er abwechseld das linke und das rechte Bein behandelt.» Was hilft? «Netflix gucken und Musik hören. Aber am besten einfach nicht zu viel an den Schmerz denken. Dann geht es irgendwann vorbei.» Weitere Kunstwerke sind auf Caviezels Haut derzeit nicht geplant. «Meine Beine sind fertig, da passt nichts mehr drauf. Und am Oberkörper mache ich nach aktuellem Stand nichts.»
Noch nicht vorbei ist Caviezels Saison. Die begann verspätet, weil er sich erst einen Knorpelschaden im Knie operieren lassen musste. Beim Comeback im Januar fuhr er in Scuol auf Platz 3. Seither allerdings gabs für den Cousin der Ski-Stars Gino und Mauro Caviezel im Einzel keine weitere Top-Klassierungen. Noch ist der Trainingsrückstand spürbar. «Aber die einzelnen Zeiten waren immer sehr gut, ich konnte mit den Besten stets mithalten», sagt er.
Aber noch hat er Zeit. Unter Druck setzen lässt er sich nicht. «Er tut mit seiner lockeren Art dem Team gut», sagt Galmarini. «Das hilft vor allem in Situationen, wenn alle ernst drauf sind.» Erst nächstes Jahr findet wieder eine WM statt, in zwei Jahren Olympia. Da soll Caviezel dann wieder ganz vorne mitfahren. Wie es sich für die Alpin-Snowboard-Nation Schweiz gehört.