Pat Burgener, Sie holen wie bei der letzten WM Halfpipe-Bronze. Sind Sie glücklich?
Pat Burgener: Ja, sehr. Es ist unglaublich, dass ich es aufs Podium geschafft habe. Ich habe am Tag vor dem Contest einen Song geschrieben, den habe ich danach die ganze Zeit gehört und konnte die Nacht vor dem Contest nicht schlafen. Ich habe mich richtig scheisse gefühlt am Morgen.
Dafür liefs gar nicht so verkehrt.
Das kann man so sagen. Nach dem ersten Run fing es plötzlich an zu laufen. Es zeigt sich einmal mehr: Es ist alles nur Kopfsache.
Das Lied, das sie am Tag vor dem Wettkampf geschrieben haben…
…ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Sacha (Giger, Snowboard-Direktor bei Swiss-Ski, d. Red.) hat mich gefragt, ob wir in den Outlet shoppen gehen wollen. Aber ich habe mich um 9 Uhr an den Computer gesetzt und angefangen, den Song zu schreiben. Dann bin ich den ganzen Tag nicht mehr davon weggekommen. Die Musik hat mir diesen guten Vibe gegeben.
Ist die Musik für Sie ein Ausweg, um dem Druck zu entgehen?
Es ist ein guter Weg, um alles zu vergessen und dem Wettkampf nicht mehr diese Wichtigkeit zu geben. Ein gelungener Song zeigt mir auch, dass ich es kann: Lieder schreiben. Es ist wie eine Absicherung, dass nicht alles vom Snowboarden abhängig ist. Es ist ein gutes Gefühl.
Wovon handelt denn ihr Bronze-Song?
Das Lied heisst «Worried». Es geht um alles, was ich im Kopf hatte. Dass ich Angst habe, alleine zu sein, Angst, zu glücklich zu sein. Ich habe alle meine Sorgen ausgedrückt und meine Ängste. Und am Wettkampftag bin ich ohne Angst aufgewacht.
Zuletzt haben Sie ab und zu mit den Punktrichtern gehadert. Verarbeiten Sie diesen Ärger auch musikalisch?
Die Musik ist ein Weg, um alles zu vergessen und all diese Sachen auf die Seite zu legen. Es ist so unwichtig, was die Judges entscheiden. Du kannst es nicht beeinflussen. Wenn ich einen Sport hätte machen wollen ohne Punktrichter, dann wäre Alpin-Ski-Fahrer geworden. Da geht’s nur um die Zeit.
Nichts für Sie?
Nein. Mein Weg ist ein anderer. Abgesehen davon ist es in der Musik ähnlich. Da wirst du auch dauernd beurteilt. Die Leute schauen mich auf der Bühne an und die einen finden meine langen Haare total doof, andere finden mich geil.
Sie mögen es, in der Öffentlichkeit zu stehen.
Ob im Snowboarden oder in der Musik: Um Erfolg zu haben, darfst du keinen Deut darauf geben, was die Leute von dir denken. Ich kenne so viele Künstler, die so viel Talent haben, die keine Songs rausbringen. Sie trauen sich nicht. Auf der Bühne stehst du nackt vor den Leuten, das braucht Mut. Und so fahre ich auch Snowboard.
Nach dem zweiten Run, ihrem Bronze-Run, haben Sie alles von sich geschmissen: Helm, Brett, es hätte nicht mehr viel gefehlt, dann wären Sie auch nackt gewesen.
(lacht) Ich bin extrem emotional. Wenn du einen Run stehst, für den du so viel gearbeitet und gekämpft hast, für den dich so viele Leute unterstützt haben, dann muss das alles raus, dann ist mir alles scheissegal. Dann verliere ich die Kontrolle über meinen Körper.
Ist Ihnen das im Nachhinein manchmal peinlich?
Nein, ich finde das megageil. So viele Leute zeigen ihre Emotionen nicht. Die Zuschauer wissen nicht, was in einem passiert. Das ist eigentlich schade.
Sie sind in neuen Schuhen gefahren, die haben Ihnen offensichtlich Glück gebracht. Widmen Sie denen ein neues Lied?
Dieser Schuhwechsel, das ist echt das Dümmste, was ich je gemacht habe in meiner Karriere. Ich hatte Anfang dieser Saison Top-Schuhe, die hatte ich schon bei Olympia. Dann habe ich sie ausgetauscht und es hat in Laax nicht funktioniert und bei den X-Games nicht. Da wusste ich, ich muss zurückwechseln. Das war wirklich saublöd.
Und jetzt?
Ich habe sie vor zwei Tagen in Salt Lake City gekauft. Sie sind eigentlich noch viel zu hart. Ich bin manchmal extrem dumm. Im Snowboard geht alles über die Füsse, da brauchst du das Gefühl. Ich hatte den ganzen Wettkampf über eigentlich kein Gefühl. Das war wirklich dämlich. Jetzt wechsle ich nicht mehr.
Wer hat Ihnen eigentlich zur Medaille gratuliert?
Frauen! So viele Frauen. (lacht)
Im Ernst?
Man merkt, dass WM ist und das ganze Land hinter einem steht. Ich wollte nach dem zweiten Lauf kurz mit meinem Bruder telefonieren, habe den Flugmodus im Handy rausgenommen und – zack! – hatte ich schon da Dutzende Messages auf dem Handy. Das zeigt, für wen wir das machen. Darum ist da so viel Druck. Du fährst nicht nur für dich, sondern für das ganze Land, du kannst alle stolz machen. Jetzt rede ich mit Ihnen sogar schweizerdeutsch, ich bin ein echter Schweizer!
Wie sieht eine Medaillen-Party bei Pat Burgener aus?
Die sieht gut aus. Die haben wir uns verdient. Snowboarden ist so seriös geworden. Du arbeitest die ganze Woche hart, Tag für Tag. Ich stehe auf, mache Yoga, dann gehe ich trainieren, darf nicht ein Bier trinken.
Aber auf die Medaille gibt es eins? Oder zwei? Oder acht?
Das Bier hier im Supermarkt in Utah hat ja maximal 3 Prozent. Da sind schon zwei Bier drin (lacht).