Simi darf aufhören!
Deschwanden ist sogar der bessere Abspringer

Gregor Deschwanden ist bereit für die Zeit nach Simon Ammann. In Titisee ist er als einziger Schweizer Skispringer am Start – verpasst aber das Finale.
Publiziert: 08.02.2015 um 17:36 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2018 um 14:28 Uhr
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Gregor Deschwanden springt in Titisee auf Rang 33 mit miserablen Noten.
Foto: Toto Marti
Von Hans-Peter Hildbrand (Text) und Toto Marti (Fotos) aus Titisee

Hört Simon Ammann (33) im März auf, ist das Schweizer Skispringen nicht tot. Auch wenn nichts mehr so sein wird, wie es mal war. Ein Vierteljahrhundert dauerte es, bis nach Walter Steiner («der Vogelmensch») 1997 ein 16-jähriger Bauernbub aus dem Toggenburg an die grosse Türe klopft. «Klein Simi» machte in der Schweiz das Skispringen wieder populär. Simon Ammann (33) holte viermal Olympia-Gold.

Aber die 17. Vierschanzen-Tournee in seiner 18. Weltcup-Saison war für den Toggenburger vielleicht die eine zu viel. Der zweite Sturz in Bischofshofen bescherte ihm eine Gehirnerschütterung. Am letzten Mittwoch sass er in Oberstdorf nach 30 Tagen wieder auf dem Bakken. Vorsichtig und mit wackligen Knie wagte er sich in die Anlaufspur (Blick.ch berichtete).

Gregor Deschwanden (23) ist nun der einzige Schweizer im Weltcup. Er springt in Titisee auf Rang 33 mit miserablen Noten. Er analysiert: «Ich kann die Geschwindigkeit in den Flug mitnehmen, auch wenn ich am Absprung noch öfters zu spät bin. Die Mischung aus Selbstvertrauen und Fluggefühl stimmt – nur die Konstanz ist ein Problem.»

Er verkörpert den Typ der jungen Skispringer, die einfach Spass haben wollen. Die nicht zu viel fragen, nicht zu viel analysieren. Er ist der bessere Abspringer als Ammann. «Das beweisen die Werte auf der Kraftmessplatte», erklärt Trainer Martin Künzle (35). «Simon ist halt megagut, wie er das Tempo in den Flug mitnimmt», schwärmt Deschwanden.

In Titisee hat er – obwohl einziger Swiss-Ski-Athlet – drei Betreuer zur Verfügung: Trainer. Materialwart und Masseur. «Ich wäre schon lieber in einem Team», sagt Deschwanden. «Es kommt aber nicht darauf an, wer da ist. Ich komme mit allen sehr gut aus.» Aber er spürt den Druck – es fehlen die schmalen Schultern von Simon.

Mittlerweile kann Gregor vom Skispringen leben. «Ich wohne in einer Dreier-WG in Einsiedeln. Ein Auto habe ich nicht, ich habe das SBB-Generalabo zweiter Klasse.» Und da ist noch das Preisgeld: 8700 Franken hat er auf dem Konto.

Hinter ihm stehen die jungen Kilian Peier (19) und Gabriel Karlen (20), die Wettkämpfe der zweiten (Kontinental-Cup) und dritten Kategorie (Alpencup) gewinnen. «Sie werden im Weltcup regelmässig eingesetzt, wenn sie die Qualifikation sicher überstehen», sagt der Trainer.

Das zeigt: Die Schweiz ist nicht mehr ein Entwicklungsland. Das freut die Organisatoren in Engelberg. Dort läuft ab Frühjahr eine Gesamtsanierung des Startbereichs, der Anlaufspur, des Schanzentischs und der Flutlichtanlage.

Reagiert haben die Regionen West und das Berner Oberland. Sie haben je einen Skisprung-Trainer angestellt. St. Moritz will mit neuen Bakken endlich vorwärts machen. Der Schweizer Skisprung-Disziplinenchef Berni Schödler: «Ohne Winterschanzen hinken wir halt weiterhin zehn Jahre hinterher.» Ob mit oder ohne Ammann, guter Nachwuchs ist da – aber Seriensiege oder olympische Titel sind in den nächsten 10 bis 15 Jahren keine zu erwarten.

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