BLICK: Noriaki Kasai, mit 43 Jahren springen Sie immer noch an der Weltspitze mit. Am Samstag wurden Sie Dritter. Verraten Sie uns Ihr Geheimnis, wie machen Sie das?
Noriaki Kasai: Ich mache nichts Spezielles. Ich liebe einfach, was ich mache. Und vielleicht fast wichtiger: Ich hasse es, zu verlieren. Ich will immer gewinnen. Ausserdem möchte ich meinen Fans, meinen Freunden, meiner Familie und meiner Firma etwas Schönes zurückgeben für all die Unterstützung, die ich seit vielen Jahren erhalte.
Wie motivieren Sie sich Jahr für Jahr immer wieder?
Eine grosse Motivation bleibt mein Traum von einer Goldmedaille bei Olympischen Spielen. Silber und Bronze habe ich ja schon gewonnen. Wer weiss, vielleicht klappt es ja das nächste Mal. Es ist mir aber bewusst, dass dieses Ziel sehr ambitioniert ist. Denn die Spitze im Skispringen ist heute viel breiter als zu meiner Zeit als Jungspund.
Machen Sie sich langsam Gedanken über das Karriere-Ende?
Nein. Darüber denke ich nicht nach. Mein Feuer für diesen Sport brennt immer noch. Ich will unbedingt weitermachen und auch wieder Springen gewinnen.
In all den Jahren dachten Sie nie an Rücktritt?
In Salt Lake 2002 war ich einmal nahe dran. Ich fühlte mich topfit und war bereit, zu siegen. Doch zu meiner grossen Enttäuschung hat nichts funktioniert. Ich konnte nicht reüssieren. Da wusste ich, dass ich etwas ändern muss, wenn ich weiterhin noch Erfolg haben will.
Was haben Sie gemacht?
Ich engagierte einen jungen finnischen Trainer und begann quasi noch einmal bei null. Ich bin normalerweise ziemlich stur und beratungsresistent. Aber dieser Schritt hat sich gelohnt. Das war sozusagen mein Wendepunkt.
Mit 43 Jahren dürften die körperlichen Beschwerden nicht gerade kleiner werden.
Natürlich ist es nicht mehr wie früher. Die grössten Probleme habe ich mit den Knien und mit dem Rücken.
Wann tuts am meisten weh? Bei der Landung oder morgens beim Aufstehen?
(Lacht) Eindeutig beim Landen.
Wie sorgen Sie für Ihren Körper?
Ich muss einfach darauf achten, dass ich mich im Training etwas zurückhalte. Dann gehts schon.
2026 will Sapporo die Winterspiele nach Japan holen. Sie werden dann 54 Jahre alt sein.
Vor drei Jahren habe ich in einem Interview einmal gesagt, dass ich mit fünfzig aufhöre. Jetzt muss ich mir das aber vielleicht nochmals überlegen. Denn es wäre natürlich das Grösste, bei Olympia quasi vor meiner Haustür nochmals dabei zu sein. Beim letzten Mal in Japan – 1998 in Nagano – hatte ich ja mit einer Verletzung zu kämpfen. Ausserdem werde ich endgültig zur Legende, wenn ich mit über 50 immer noch springen sollte. Wir werden sehen.
Sie sind am Mittwoch direkt aus Japan hier eingetroffen. Kämpfen Sie jeweils mit dem Jetlag?
Nein, damit habe ich schon lange keine Probleme mehr. Ich bin jedes Jahr für sechs Monate in Europa oder sonstwo auf der Welt unterwegs und habe mich schon lange daran gewöhnt. Zu Hause in Hokkaido habe ich ausserdem eine Uhr mit europäischer Zeit. So kann ich mich mental immer auf die Zeitumstellung vorbereiten.
Wie fühlen Sie sich als Japaner in Europa?
Am Anfang vermisste ich das japanische Essen. Aber in der Zwischenzeit ist das kein Problem mehr. Ich gehe jetzt schon seit so vielen Jahren an die gleichen Orte, dass ich genau weiss, wo ich hingehen muss und wo es mir gefällt.
Was machen Sie denn in Engelberg?
Ich gehe jedes Jahr nach dem Springen Raclette oder Fondue essen. Das mag ich.
Wie war das, als Sie 1989 erstmals ausserhalb Japans an den Weltcup-Start gingen?
Ich wurde plötzlich aus meiner Welt herausgerissen und in eine vollkommen neue Welt geworfen.
Am Samstag flog Noriaki Kasai in Engelberg aufs Podest. Kann er den Erfolg heute bestätigen? Verfolgen Sie das zweite Springen von Engelberg ab 14.15 Uhr live auf Blick.ch!