Daniel André Tande ist zurück an der Weltspitze. Die ersten zwei Springen der Saison in Wisla (Pol) und Ruka (Fi) hat der Norweger gewonnen. In den letzten zwei Wochen bremste ihn zwar eine Knöchelverletzung und auch bei der Vierschanzentournee (32. im Gesamtklassement nach zwei von vier Springen) kann er nicht daran anknüpfen.
Aber das wird Tande verschmerzen. Denn an eine so schnelle Rückkehr an die Spitze hat er nicht geglaubt. «Vor dem Saisonstart war ich mir selbst nicht sicher, ob ich gut genug bin, um wieder ein Springen zu gewinnen», sagt der 25-Jährige gegenüber dem «Spiegel». Und dann gelingt es ihm gleich im ersten Anlauf.
Tande konnte nicht mehr atmen
Davor stieg er im März 2018 als Dritter zuletzt aufs Treppchen. Nur zwei Monate später änderte sich sein Leben von einem Tag auf den anderen. Aus einer Entzündung im Mund wurde eine Krankheit, die hätte tödlich enden können. «Für ein paar Sekunden habe ich gedacht, dass ich sterbe», sagt Tande über jenen Tag. Er hatte sich für ein Nickerchen hingelegt, nach dem Aufwachen konnte er plötzlich nicht mehr atmen. Sofort wurde er ins Krankenhaus gebracht und erhielt dort die Schockdiagnose: Stevens-Johnson-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine Hauterkrankung, die beim Norweger wohl durch eine allergische Reaktion auf ein Medikament ausgelöst wurde.
Nur mit der Diagnose war das Problem allerdings noch nicht gelöst. Denn einige für die Behandlung notwendige Medikamente standen auf der Dopingliste und die Ärzte zögerten, ob sie diese einsetzen sollten. Allerdings hatte Tande, der zwischenzeitlich durch einen Schlauch ernährt werden musste, letztlich keine andere Wahl, als sich damit behandeln zu lassen. Knapp zwei Wochen verbrachte er im Krankenhaus und dachte in dieser Zeit auch ans Karriereende. «Ich habe mit der Motivation gekämpft, aber ich liebe diesen Sport», meint Tande. Und deshalb entschied er sich für den langen Weg zurück.
«Einer meiner schönsten Siege»
So kommt es, dass der Norweger, der dreifacher Skiflug-Weltmeister ist (2016 im Team und 2018 im Einzel und im Team) und 2018 Team-Olympiasieger wurde, seinen Triumph in Wisla als «einer meiner schönsten Siege», bezeichnet. Denn er setzt den Schlusspunkt unter seine Leidenszeit. Sein Comeback gab Tande zwar bereits in der letzten Saison. Obwohl er durch seine Krankheit nicht nur Gewicht sondern vor allem auch Muskeln verloren hatte, kehrte er mit wenig Training in den Weltcup zurück, erklärte gar er sei wieder gesund und fit.
Dass er damals meinte, seine Form sei sehr gut und alles wieder normal, relativiert er nun gegenüber dem «Spiegel». «Ich habe es allen erzählt, um es selbst irgendwie zu glauben», sagt der Norweger. Resultatemässig verlief die Saison dann auch durchzogen. Er bestritt nicht alle Wettkämpfe und schaffte es erst in den letzten drei Einzel-Springen jeweils in die Top 15. Ansonsten verpasste er meist die besten 30.
Nun feiert er im Oktober 2019 gleich zwei Siege in Serie. Gelernt hat er in den Monaten seit seiner Krankheit etwas: «Es ist für mich nicht mehr das Ende der Welt, wenn ich mal in einem Wettkampf eine schlechte Leistung zeige. Verlieren ist für mich nicht mehr so schlimm.»
Tränen statt Triumph bei der Vierschanzentournee 2017
Noch vor drei Jahren sah dies anders aus. Der Norweger war auf dem besten Weg, die Vierschanzentournee zu gewinnen. Als Führender ging er ins letzte Springen in Bischofshofen und fiel noch auf Rang 3 zurück. Im zweiten Durchgang hatte sich ein Clip an der Bindung des rechten Skis gelöst, Tande verlor die Kontrolle über den Sprung und konnte nur mit Glück und Können einen Sturz verhindern.
Anstatt zu jubeln vergoss er Tränen. Rückblickend meint er nun, dass er noch genügend Chancen habe, die Tournee zu gewinnen und er nicht mehr sauer auf sich sei. Nur: Sollte ihm dieser Triumph in seiner Karriere nicht mehr gelingen, bliebe ein bitterer Beigeschmack.
Doch selbst wenn er diesen Sieg nicht mehr erreichen sollte, weiss Tande, dass es auch als Spitzensportler nicht alles ist, zu gewinnen. Das Wichtigste im Leben ist die Gesundheit, das hat der Norweger am eigenen Leib erfahren.