Die Karriere von Simon Ammann neigt sich definitiv dem Ende zu – in der aktuellen Formkrise vielleicht sogar schneller, als ihm das lieb ist. Spätestens nach Olympia 2022 ist sowieso Schluss. Der mögliche Nachfolger steht schon bereit. Dominik Peter ist die grösste Schweizer Skisprung-Hoffnung.
Ammann war kein Vorbild
Der 19-Jährige ist gerade daran, sich im Weltcup zu etablieren. Wer nun aber glaubt, Peter eifere Ammann nach, der irrt. Bei der Frage nach den Vorbildern denkt der Zürcher vom Skiclub am Bachtel nicht einmal an den vierfachen Olympiasieger. «Springer wie Stoch, Prevc oder Kobayashi waren immer meine Vorbilder», erklärt Peter.
Und Simi? Klar, als Kind habe er schon Ammann zugeschaut und Freude gehabt. «Aber das Skispringen der Grossen war da noch so weit weg. Ich selber sprang damals noch auf einer 30-Meter-Schanze», erklärt Peter. Und als er dann langsam in Richtung Weltcup kam, «waren dann halt andere vorne».
Und auch jetzt, wo sie Teamkollegen sind, will Peter eigentlich nichts von Ammann wissen. Es ist nicht so, dass der Toggenburger als Mentor den Youngster anleitet. Peter hält sich eher an den derzeit verletzten WM-Dritten Killian Peier und an Gregor Deschwanden. «Wir pushen uns gegenseitig. Von Killian habe ich sehr viel gelernt», erklärt er. Im Kraftraum und in der Vorbereitung schaut sich Peter viel von Peier ab. Sie teilten sich auch oft das Zimmer, und die Ruhe des Romands imponiert Peter.
«Simon ist sehr mit sich selber beschäftigt»
Nicht, dass das Verhältnis zu Ammann schlecht wäre – der 39-Jährige ist eher aussen vor. «Simon sehr mit sich selber beschäftigt. Er tüftelt viel», beschreibt Peter. Darum hält er sich halt an die anderen.
Der forsche Jüngling aus Steg im Tösstal weiss genau, was er will und scheut sich nicht, das auch zu sagen. Das Ziel ist die Weltspitze. Das nötige Rüstzeug dazu sei da, sagt Nati-Coach Ronny Hornschuh (45), der Peter als ruhig und fokussiert beschreibt.
«Er hat auf alle Fälle das Potenzial. Er ist sehr athletisch, lebt davon und bringt alle Voraussetzungen mit», sagt der Deutsche. Jetzt müsse er es umsetzen und auch etwas Glück haben. «Wir müssen bei Dominik Kraft und Technik vereinen, er braucht noch Feinschliff.»
Crash und Gedächtnisverlust lassen ihn kalt
Pressant hat es Peter dabei nicht, er ist kein Senkrechtstarter. «Ich bin auf gutem Weg. Aber es soll Schritt für Schritt sein, das ist für mich wichtig.» Und es geht bisher auf. Anfang 2019 machte er seine ersten Gehversuche im Weltcup. Ende des Jahres gab es dann die ersten Weltcuppunkte. Und obwohl ihm im Sommer ein Wachstumsschub Probleme bereitet (er schoss vier Zentimeter in die Höhe), beginnt er nun sich in den Top 30 festzubeissen. Auch wenn es zuletzt in Engelberg nicht hinhauen wollte, beeindruckt er mit Konstanz. Immer kommt er sicher durch die Quali, kratzte in Nischni Tagil (Russ) ein erstes Mal an den Top 15. Da kommt was.
Zumal er mit seinen 19 Jahren schon erstaunlich abgebrüht ist. Anfang Saison crashte er in einem Trainingssprung heftig. «Ich hatte ziemliches Glück. Vom Sturz bis ins Krankenauto ist nichts mehr da. Aber der Wettkampf war dann cool.»
«Wenns nicht läuft, wird er ungemütlich»
Diese Coolness, die Bestimmtheit und vor allem die Selbstsicherheit, sie sind Peters grössten Stärken. Ein ausgeprägter Ehrgeiz treibt ihn an. «Wenn ich etwas will, will ich es. Da gibt es kein links und kein rechts.» Wenns nicht läuft, wird Peter entsprechend stinkig. «Dann ist es mit mir nicht so lustig.» Alles halb so wild, sagt Hornschuh: «Wenns nicht läuft, wird er ungemütlich, kann auch manchmal aufbrausend sein oder in sich gekehrt. Aber dieser Ehrgeiz ist sicher kein Nachteil.»
Auch nicht, wenn es darum geht, die eigene Karriere zu finanzieren. Peter machte eine KV-Lehre in einem Treuhand-Betrieb in Schindellegi, arbeitet dort seit seinem Abschluss in einem 40-Prozent-Pensum und absolvierte die United School of Sports in Zürich. Nach dem Abschluss schwatzte er der Schulleitung gleich noch einen Sponsoringplatz auf seinen Ski auf.