Es gibt magische Tage, wie jenen 26. Dezember 1997. Über Nacht fallen in St. Moritz vierzig Zentimeter Neuschnee. Am Schanzentisch sieht man nur fliegendes Weiss und nackte Riesenhände. Schanzenchef Odilio Del Curto verpasst dem Weihnachtsspringen den letzten Schliff.
Unten balgen sich Knirpse. «Buben, geht heim. Spielt doch mit der Modelleisenbahn!», rufe ich ihnen zu. Da hebt einer den Kopf, die Brille schneebedeckt. «Was Isebähnle! Wir springen. Fragen Sie unseren Trainer!» Rudi Höhnl klärt mich auf: «Der mit der Brille ist Simon Ammann, der wird mal ein Grosser.»
Während der Quali stehe ich neben Odilio, Vater des heutigen HCD-Trainers Arno Del Curto, am Bakken. «Wenn der Kleine die Kante richtig trifft, dann siehst du diesen begnadeten Flieger nicht mehr.» Trotzdem: Simon Ammann, 16-jährig, 1,60 Meter gross und 42 Kilo leicht, steht mit 94 Metern die Bestweite.
Es dauert fünf Jahre, bis er die Kante trifft. In Salt Lake City sitzt er im Februar 2002 oben auf dem Balken. Er lag noch nie in Führung, hat im Weltcup noch nie gewonnen – und jetzt kann er Olympiasieger werden. Mit Doppel-Gold fliegt er heim.
Dann wieder fünf Jahre nichts! In Deutschland oder Österreich hätten sie Simon längst rausgeworfen – Swiss-Ski aber hat Geduld. Zum Glück!
2007 holt der Toggenburger an der WM in Sapporo Doppel-Gold. Drei Jahre später revolutioniert er das Skispringen mit dem gebogenen Bindungsstab – wieder olympisches Doppel-Gold.
Simon Ammann hat in 21 Weltcup-Jahren alle Regeländerungen akzeptiert. Andere hätten die Ski weggeschmissen. Er aber hat Wege gesucht.
Im Wissen, alles für den perfekten Sprung getan zu haben. Im Wissen aber auch, dass es den perfekten Flug nie geben wird. Immer nur einen noch besseren.