Wir wissen alle, Simon Ammann ist ein Ausnahme-Athlet. Und so einer lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. Voreilige Entscheide kennt er nicht. Mag kommen, was da will.
An seiner 17. Vierschanzen-Tournee stürzt er zweimal innert acht Tagen. Zwei Stürze sind für einen WeltklasseSkispringer wie Ammann zwei zu viel. Er hat seine Fehler analysiert, die Lehren gezogen.
Einen Monat nach der starken Gehirnerschütterung macht er die ersten Trainingssprünge in Oberstdorf. Ende Februar das Comeback an der WM in Falun. Nun trotzt er den schwierigen Windverhältnissen in Kuopio. Er lässt sich nicht beirren, als der Wettkampf im letzten Moment auf die Normalschanze verlegt wird.
Denn er haut sich wieder vom Schanzentisch raus wie nur wenige. In der Luft saust er wieder am Limit. Er fliegt mit Freude und Überzeugung, versteift sich nicht so auf den Wettkampf. Technisch springt Simi so frei, so flüssig wie zu Vancouver-Zeiten. Er agiert mit mehr Schalk, einfach locker von der Leber weg.
Ammann schafft mit 106 m den weitesten Sprung, notiert neuen Schanzenrekord. Um seine schlechte Landung muss er sich nicht kümmern: Weil er so weit fliegt, ist im flachen Aufsprungbereich ohnehin kein Telemark möglich.
An den Landungen wird er im Sommer arbeiten. Mit den kommenden Weltcup-Bewerben in Trondheim und Oslo hat er eh keine Zeit dafür.
Und dann? Mit der Schlappe in Sotschi wollte er nicht aufhören. Er wird es auch nicht nach dieser durchzogenen Saison. Weil Ammann das Fliegen liebt. Das ist für ihn Adrenalin pur. Es ist eine Sucht, die ihn immer wieder nach vorne treibt.
Er will seinen Hang zur Perfektion ausleben. Das kann er nur bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Wenn er tagelang an seiner feinen Technik feilen kann.
Ich kenne Simon Ammann seit dem 26. Dezember 1997, seit dem damals traditionellen Weihnachtsspringen auf dem St. Moritzer Olympia-Bakken. Der kleine Toggenburger qualifizierte sich für die Vierschanzen-Tournee. Ein paar Tage später holte er als 15. in Oberstdorf das Ticket für die Winterspiele 1998 im japanischen Nagano.
Ich bin überzeugt: Simon Ammann wird weiterspringen. Auch 2018 in der südkoreanischen Stadt Pyeongchang. An seinen sechsten Olympischen Spielen. Dann ist er 36 Jahre alt. Immerhin noch sechs Jahre jünger als jetzt der Japaner Noriaki Kasai, mit dem er im letzten November in Lahti den Weltcup-Sieg geteilt hat.