Er ist der Überflieger der Saison. Ryoyu Kobayashi (22) drückt der Vierschanzentournee mit zwei Siegen in zwei Springen seinen Stempel auf. Der Emporkömmling lässt die Japaner vom ersten Tournee-Sieg seit Kazuyoshi Funaki 1998 träumen. Dabei ist er ganz und gar kein typischer Japaner.
«Ich bin ein Neo-Japaner», erklärte sich Kobayashi selber vor dem Tournee-Start. «Also ein etwas verrückter Japaner.» Was er genau damit meint, kann der Weltcupführende nicht sagen. Anders halt. Offener und ausgelassener, als es seine ruhigen und demütigen Teamkollegen wie etwa Noriaki Kasai (46) sind.
Das zeigt sich schon allein beim Jubel. Der 22-Jährige hält sich nicht zurück. Ballt die Fäuste, wackelt lustig mit dem Kopf, schreit seine Freude raus, klatscht sich wie wild mit seinem Team ab. Schon fast ekstatisch. Etwas, das in seiner Heimat nicht nur gut ankommt.
Die eher extrovertierte Art zeigt sich auch abseits der Sprungschanze. «Er ist etwas ausgeflippt, macht auch viel Blödsinn», beschreibt ihn Tournee-Konkurrent Markus Eisenbichler in der ARD-Sportschau. Als interessanten und lustigen Typ stellt ihn dort auch Kasai dar.
Rockstar-Image im Internet
Wer einen Blick in die sozialen Medien wirft, sieht dieses Bild bestätigt. Kobayashi pflegt dort schon fast ein Rockstar-Image. Er liebt es, Klamotten und Schuhe zu shoppen. Er posiert mit schnellen Autos, oben ohne – und fast immer cool mit Sonnenbrille. Dazu passt auch die Skibrille, die er an der Schanze trägt und die golden glänzt.
Kobayashi stammt aus einer echten Skispringerfamilie. Sein fünf Jahre älterer Bruder Junshiro springt ebenfalls im Weltcup, hat 2017 seinen ersten und bisher einzigen Sieg gefeiert. Er hat die Familie mit dem Virus infiziert. Ryoyu hat noch einen jüngeren Bruder und eine ältere Schwester. Sie springen ebenfalls. Sein Vater ist Sport- und Skilehrer in der Präfektur Iwate im Norden Japans.
Vor der Saison nie auf dem Podest
Als grosses Talent gilt Kobayashi schon lange. Doch erst in diesem Winter startet er durch. Nur gerade zwei Top-Ten-Plätze hatte der Newcomer vorher vorzuweisen. Doch seit dem Saisonstart in Wisla ist er in neun Weltcupspringen acht Mal aufs Podest geflogen, hat dabei sechs Siege gefeiert! Teilweise fliegt er der Konkurrenz um Meter davon. «Eigentlich bin ich selber überrascht über die Leistungen diesen Winter», sagt er selber. «Aber es ist mein Ziel seit Jahren, so konstant zu springen.»
Springt er so konstant weiter, wird er die Vierschanzentournee gewinnen. Im Vorjahr war er noch 22. Durch ist er aber noch nicht. Der Vorsprung auf Eisenbichler beträgt lediglich 2,3 Punkte, also nur 1,27 Meter.
Und sowieso: Selber vom Tourneesieg sprechen will er nicht. Sich selber als Top-Favoriten nennen würde er nie. Da ist Ryoyu Kobayashi dann doch ganz der Japaner