Einst waren es wasserlösende Tabletten, sogenannte Diuretika, oder das Reinigen der Skilaufflächen mit Diesel-Treibstoff. Diuretika sind längst verboten. Diesel bei nassem Schnee ebenfalls. Und auch das früher verbreitete «Gewicht machen» bis hin zur Magersucht ist dank neuer Regel (Body-Mass-Index) vorbei.
Und doch: Man kann die Uhr danach stellen. Vor jeder Tournee tricksen die Skispringer. Basteln an Anzügen. FIS-Renndirektor Walter Hofer (51) will seinen Landsleuten zwar nichts unterstellen, sagte aber schon vor Jahren: «Besonders mit den Österreichern haben wir vor jedem Grossanlass ein Problem.» Wenn sie etwa den Anzug über das Gesäss ziehen. Oder die Hosenbeine über die Schuhspitzen ziehen, mit einem Haken festmachen.
«Wer heute tricksen will, der macht es immer noch mit den Anzügen», sagt Berni Schödler, Chef Skisprung bei Swiss-Ski. Zu den Österreichern gesellen sich auch die grossen Nationen wie Norwegen und Deutschland, die sich mit Tricks und Betrug Vorteile schaffen. Nur sehen die das anders. Für sie segelt das stets unter der Formel «Ausreizen der Reglemente».
Auffallend, wie die Springer im Auslauf jubeln, auch wenn sie gar nichts zu jubeln haben. Sie werfen die Arme hoch oder werfen sie von sich weg, sie strecken sich. Und warum die Verrenkungen? Um den Anzug wieder in Ordnung zu bringen, um bei einer Kontrolle durchzukommen.
Mehr Tragfläche, mehr Meter
Was früher mit Schnüren und Klettverschlüssen fixiert wurde, geht nicht mehr. Die 10 Bestklassierten müssen sich nach dem Springen jeweils ausziehen, damit die Luftdurchlässigkeit des Anzugs gemessen werden kann. Der Trick liegt in der einteiligen Unterwäsche. Dafür werden Stoffe verwendet, die eine Art Klettverschluss mit dem Anzug bilden.
Vor dem Start wird der Anzug in Flugform gebracht. Im Auslauf löst der Athlet mit einem Ruck (Jubelposen) den Anker, die Verbindung zwischen Unterwäsche und Anzug – und keiner hats gemerkt. Schödler hat nun die Videos analysiert. Er hat gesehen, wie Anders Jacobsen (29, No), Sieger des Neujahrspringens vor Simon Ammann, mit «Flügeln» fliegt. Wie der Anzug des Norwegers bis zu den Fingern reicht. Obwohl das Reglement die maximale Länge nur bis zum Handgelenk vorschreibt. Wenn der Anzug bis zu den Fingern reicht, gibt das mehr Tragfläche, und daraus resultieren am Ende mehr Meter.
Ammann, in Garmisch als Zweiter wieder im Stoss, äussert sich nicht dazu. «Das ist Sache meiner Chefs. Ich bin extrem glücklich, dieser Wettkampf hat mir sehr gut getan. Es war der beste Wettkampf dieses Winters.» Aber nicht der fairste.