Am Schattenberg ist es seit Urzeiten so. Auch die jungen Oberstdorfer wissen es: Je später der Nachmittag, desto windiger wird es an der Schattenberg-Schanze. Aber Sponsoren und TV wollen in den frühen Abendstunden, nicht am frühen Nachmittag auf Sendung.
Die Vierschanzentournee über Weihnachten/Neujahr ist das Aushängeschild des Skispringens. Ja, des ganzen Nordischen Skisports. Wie die Jury aber in Oberstdorf zum Auftakt der 63. Auflage dirigiert, kann der Zuschauer daheim vor dem Fernseher kaum nachvollziehen.
Im Halbstundentakt wird das Springen bei Wind und Schneefall verschoben. Nach 90 Minuten eröffnet Junshiro Kobayashi (Jap) vor 24 500 Zuschauern den Wettkampf. Sein Duell-Gegner muss wegen der herrschenden Aufwinde gar Schanzenrekord (143,5 m) springen, um den Japaner zu schlagen – völliger Irrsinn.
Für Simon Ammann (33) wird es ein spezieller Tag. Seit 14 Uhr ist er an der Schanze. «Das braucht Energie. Auch wenn ich im Verlauf der Warterei meinen Fokus behalten konnte.» Simi überbrückt die Zeit mit Bewegungseinheiten. Oder spielt mit den zwei Kindern von Constantin Kreiselmeyer, dem Trainer des Schweizer Kombinierers Tim Hug. Weil er als Zweitletzter auf der Startliste ist, hat er nie Hektik. Muss nie oben auf den Schanzenturm. Simi: «Ich finde den Abbruch in Ordnung. Und ich bin froh, dass der Wettkampf in Oberstdorf wiederholt wird.»
Es ist das vierte Mal, dass ein Springen in der Tournee-Geschichte abgesagt wird: 1956 wird der Wettbewerb in Bischofshofen wegen Schneemangels ins nahe Hallein verlegt, 1979 wird das Neujahrsspringen um einen Tag verschoben. 2007/2008 gibt es die erste «Dreischanzentournee»: Ein Föhnsturm in Innsbruck hält die Athleten am Boden, in Bischofshofen finden daraufhin zwei Wettbewerbe statt. In Zukunft soll nach Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck auch in Oberstdorf ein Windnetz aufgebaut werden.