Das Credo im Langlauf war bisher klar: Ohne Fluor geht nichts. Seit den 80ern ist das bereits so. Die Fluor-Kohlestoff-Verbindungen im Ski-Wachs erhöhen die Gleitfähigkeit bei wärmeren Temperaturen. Das Problem: Mit dem Fluor klebt auch Gift am Ski.
Die verwendeten Verbindungen sollen Organe schädigen, die Zeugungsfähigkeit beeinflussen, und sie stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Und sie belasten die Umwelt. Rückstande werden vom Ski an die Loipe übertragen. Mit dem Schnee sickert das Fluor in den Boden und schliesslich bis ins Grundwasser.
Besonders gefährlich sind die Verbindungen mit viel Kohlestoff, sogenannte C8-Verbindungen. Die EU verbietet diese Form ab 2020.
Andere Verbindungen, also C6 und tiefer, bleiben bei der EU vorläufig erlaubt. Doch die FIS will in dieser Umweltfrage eine Vorreiterrolle spielen. Ab der Saison 2020/21 gilt eine Fluor-Nulltoleranz. Am Klima-Kongress auf der Insel Mainau wurde das beschlossen. Eine Arbeitsgruppe soll nun ausarbeiten, wie das Verbot umgesetzt wird.
«Verbot kommt viel zu früh»
Viele Verbände reagieren geschockt und fühlen sich auf dem falschen Fuss erwischt. Beim Weltcup in Davos kam es zu ersten Treffen unter den Teams zum Thema. «Das Verbot kommt viel zu früh», ist sich Hippolyt Kempf, der Langlauf-Chef von Swiss Ski, sicher. Auch wenn er es grundsätzlich als sinnvoll erachtet.
Bei Swiss Ski hat man sich vorerst für die Variante Fluor-C6 vorbereitet. «Dafür wären wir bereit», sagt Kempf. Doch ganz ohne Fluor? Momentan unvorstellbar. 95 Prozent der Wachs-Produkte im Swiss-Ski-Truck enthalten Fluor.
Bei Temperaturen höher als minus 3 Grad gilt Fluor-Wachs als das Nonplusultra. Über 10 km geht der Zeitgewinn bis zu einer Minute. Gleichwertige Alternativen existieren praktisch nicht. Kempf: «Und diejenigen, die es gäbe, sind einfach noch giftiger.»
Sorge um Sabotage
Swiss Ski hofft, dass man den Weltverband dazu bringen kann, mit dem kompletten Verbot bis nach dem Olympia-Zyklus 2022 zu warten. Denn es existieren zahlreiche Ängste rund um das Thema. Wachs-Doping etwa – wie will man verhindern, dass Nationen nicht doch auf Fluor-Wachs setzen? Die Tests gelten im Moment noch als unzuverlässig.
Man sorgt sich auch um Sabotage. Momentan sind die Skis weitestgehend unbewacht und problemlos zugänglich. Jemandem ein paar Fluor-Reste draufzuschmieren, wäre ein Ding der Leichtigkeit.
Muss der ganze Vorrat entsorgt werden?
Bei Swiss Ski macht man sich aber vor allem auch finanzielle Gedanken. «Der Wachs-Truck müsste chemisch gereinigt werden. Alle Wachs-Bürsten müssten weg und sogar der ganze Ski-Stock von neunhundert Paar müsste womöglich entsorgt werden», sagt Kempf. «Nur so können wir sicher sein, dass keine Fluor-Reste mehr an den Ski haften.» Und das wäre erst die Stufe Weltcup. Auf unteren Ebenen und bei den Junioren sähe es ähnlich aus.
Und die FIS? Die bleibt beim Plan. «Die Fluorwachse sind gesundheitsschädigend für Service-Leute und Athleten. Da gibt es gar nichts zu diskutieren», sagt Präsident Gian Franco Kasper. «es stimmt, dass die Kontroll-Systeme noch nicht existieren. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir Lösungen finden, bis das Verbot greift.»
Und wenn nicht, sei das auch nicht so schlimm, so Kasper. Dann sei es wie beim Doping. «Dort sind auch Substanzen verboten, ohne die entsprechenden Tests dazu.»