«Kind und Karriere könnte ich nicht»
Langläuferin Van der Graaff träumt von einer Familie

Baby? Ja! Aber noch nicht jetzt. Laurien van der Graaff (31) will zwar Mutter werden. Aber erst in aller Ruhe nach dem Rücktritt.
Publiziert: 28.12.2018 um 14:31 Uhr
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Langläuferin Laurien van der Graaff träumt von einer Familie.
Foto: Keystone
Stefan Meier

In gut drei Jahren hätte Laurien van der Graaff (31) eigentlich noch einmal die grosse Chance. Bei Olympia in Peking ist beim Langlauf-Sprint die Skating-Technik gefragt. Also ihre Disziplin, in der die 31-Jährige vergangene Saison endlich ihre erste beiden Weltcup-Siege schaffte. Doch sie träumt für das Jahr 2022 nicht von einer Olympia-Medaille. Viel mehr davon, Kinder gross zu ziehen.

Schon letzte Saison hat die gebürtige Holländerin erklärt, dann nicht mehr dabei zu sein und nicht mehr um Medaillen zu skaten. Nun sagt sie gegenüber SonntagsBlick über ihre Zukunft: «Ich will sehr gerne Mutter werden.»

Schon lange kreisen ihre Gedanken um das Thema. Und irgendwann will sie mit ihrem Freund und Trainer Andreas Waldmeier eine Familie gründen. Die grosse Frage ist: Warum nicht beides? Als eine der besten Sprinterinnen der Welt, könnte sie die aktuelle WM-Saison hinter sich bringen, dann die Familienplanung angehen und für Olympia in Top-Form zurückkommen. Dass Familie und Spitzensport geht, beweisen aktuell gleich mehrere Schweizer Top-Sportlerinnen.

Doch das will Van der Graaff nicht. Sie stellt klar: «Ich will zwar Kinder, aber erst nach der Karriere. Vorher kann ich mir das nicht vorstellen. Spitzensport und Kind kommt für mich nicht in Frage.» Sie sei einfach nicht der Typ dafür. «Wenn ich Mutter wäre, dann würde ich dem Kind möglichst alles geben und immer für es da sein wollen.»

Andernfalls hätte Van der Graaff das Gefühl, sich zweiteilen zu müssen. Die ganze Reiserei, dazu die Trainings. Immer zwischen Loipe und Wickeltisch. Immer wieder von daheim wegrennen. Immer wieder das Training vernachlässigen. «Ich hätte mich nicht dafür, zweimal am Tag zu trainieren und noch in der Welt rumzureisen. Für viele mag das stimmen, aber ich könnte es nicht mit mir vereinbaren.» Laurien winkt ab. Wenn sie Mutter wird, dann will sie sich voll darauf konzentrieren.

«Ich muss nicht eine Hundert-Prozent-Mama sein»

Es ist aber weniger die organisatorische Komponente, die Kind und Karriere im Weg steht. Es ist vielmehr etwas Emotionales. Eine geplante und zwischen die sportlichen Highlights getimte Schwangerschaft würde viel an Magie verlieren für sie. Einer Mutterschaft im Alltag als Spitzensportlerin würde der Zauber fehlen, die unabdingbare Leidenschaft.

«Mein Gefühl würde mir immer sagen: Das ist nicht richtig. Ich würde ständig etwas machen, das für mich nicht stimmen würde», sagt Van der Graaff. «Ich hätte das Gefühl, halbe Sachen zu machen.»

Es ist aber nicht so, dass sie nicht nebenher arbeiten würde. «Ich muss nicht eine Hundert-Prozent-Mama sein. Ich denke es ist wichtig, auch beruflich weiterhin etwas zu machen», stellt die Sprinterin klar. «Aber der Spitzensport braucht einfach sehr viel, er vereinnahmt dich. Auch körperlich.»

Deshalb wartet sie. Wann die Familienplanung dann konkreter wird, weiss Van der Graaff noch nicht. Vielleicht hängt sie nach dieser Saison doch noch eine an. Vielleicht folgt auch schon der Rücktritt. Der Entscheid wird frühestens im Frühling fallen. In aller Ruhe.

Vorerst hat sie noch andere Ziele. Die WM in Seefeld im Februar etwa. Dort, wo sie letztes Jahr das Weltcup-Rennen gewonnen hat, wird auch um die Medaillen geskatet. Beste Voraussetzungen also für Van der Graaff, ihre Karriere zu krönen. Danach könnte sie sich dann ohne schlechtes Gewissen einer Familie widmen.

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Die Schweizer Sport-Mütter

Selina Gasparin (34)

Diese Bilder sorgten für Aufsehen. Im August veröffentlichte die Biathletin auf Instagram Fotos, die sie hochschwanger beim Trainieren zeigten. Im Oktober kam Tochter Kiana zur Welt. Doch bereits in fünf Wochen will sie in den Weltcup zurückkehren. «Nach der Geburt lasse ich mir einen Monat Zeit für Erholung und Basisbewegungen. Danach habe ich bis Ende Januar drei Monate Zeit für einen kurzen, intensiven Aufbau auf die Wettkampfsaison hin», erklärte Gasparin vor der Geburt. Sie kennt sich aus: 2015 erblickte bereits ihre Tochter Leila das Licht der Welt. Mittlerweile sei es nicht mehr aussergewöhnlich, trotz Kind Spitzensport zu betreiben, findet Gasparin. «Es wurde registriert, dass es möglich ist, nach einer Schwangerschaft auf Topniveau zurückzukommen. Dies führte zu einem Mentalitätswandel. In anderen Berufen ist es schon länger so, dass Mütter nach der Schwangerschaft rasch wieder in die Arbeitswelt einsteigen. Im Sport hat es etwas länger gedauert.»

Judith Wyder (30)

Nur fünf Monate nach der Geburt ihrer ersten Tochter Linn wurde die Orientierungsläuferin im Mai 2018 zweifache Europameisterin. «Das waren sehr emotionale Momente», erzählt Wyder. Drei Monate später gewann sie mit der Staffel auch noch WM-Gold. Trotzdem hörte Wyder auf. «Als OL-Läuferin ist man monatelang im Ausland unterwegs. Das kommt für mich als Mutter nicht mehr in Frage.»

Amélie Wenger-Reymond (31)

Sie ist der Roger Federer des Telemark-Sports. Die elffache Weltmeisterin wurde im Frühling dieses Jahres Mutter. Wenn im Januar 2019 die neue Weltcup-Saison  beginnt, will die Walliserin wieder am Start stehen.

Caroline Steffen (40)

«Ich bin nicht in einer finanziellen Situation, in der ich nie mehr arbeiten gehen muss – und der Triathlon ist nun mal mein Beruf. Irgendwie muss ich das Geld für die Windeln ja reinholen», erklärte Steffen letzte Woche im «Tages-Anzeiger». Auch deshalb gab sie nach der Geburt ihres Sohnes Xaver ein Comeback. Steffen gewann Anfang Dezember den Ironman Western Australia und qualifizierte sich dadurch für Hawaii 2019. Steffen geniesst ihr neues Leben: «Ich habe das Gefühl, durch das Muttersein ist meine Selbstzufriedenheit grösser, ich fühle mich komplett.»

Karin Roten (42)

«Ich hatte es unterschätzt», gab Roten nach ihrem Rücktritt als Skirennfahrerin 2001 zu. Zuvor hatte sie nach der Geburt von Jonathan ihr Comeback gegeben und war ein Jahr lang mit dem Baby im Skizirkus unterwegs.

Natascha Badmann (52)

Als Kind war sie stark übergewichtig, und mit 17 wurde sie bereits Mutter. 1989 stellte die Triathletin ihr Leben radikal um und wurde Spitzensportlerin: Badmann gewann unter anderem sechsmal den Ironman Hawaii.

Maya Pedersen-Bieri (46)

«Ich bin so oft von meiner zweijährigen Tochter Miriam weg. Deshalb will ich sie jetzt so schnell wie möglich wieder in den Arm nehmen», sagte Pedersen-Bieri nach ihrem Olympia-Gold im Skeleton 2006 und fügte an: «Und jetzt machen wir uns Gedanken über ein zweites Kind.» 2008 kam ihre zweite Tochter zur Welt.

Simone Niggli-Luder (40)

Die OL-Läuferin holte 9 ihrer 23 WM-Titel als Mutter. Wie an der WM 2010, als sie mit Malin auf dem Podest feierte. «Das war traumhaft und etwas ganz Besonderes.» Es habe bewiesen, dass man als Mutter auch Spitzensportlerin sein könne. «Ohne die Unterstützung meines Mannes und der Familie wäre es aber nicht möglich gewesen. Man muss selbst flexibel sein. Wenn ein Kind zum Beispiel krank wird, muss man die Trainingszeiten anpassen.»

Brigitte McMahon (51)

Sie war die erste Schweizer Mutter als Sommer-Olympiasiegerin. 2000 holte sie Triathlon-Gold. Ihr erster Sohn Dominic war da 3 Jahre alt. Als sein Mami nach dem Triumph von Termin zu Termin hetzte, fragte er ängstlich: «Nehmen sie mir jetzt mein Mami weg?»

Nicola Spirig (36)

Keine kennt sich besser im Thema aus als die Triathletin. 2012 wurde sie in London Olympiasiegerin. 2013 kam Sohn Yannis zur Welt. 2016 gewann sie Olympia-Silber. 2017 wurde sie ein zweites Mal Mutter (Tochter Malea). 2018 holte sie sich ihren 6. EM-Titel. Und im April 2019 kommt das dritte Kind. Perfekte Planung!

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