Viel fehlte nicht, und Charlotte Chable (21) hätte sich gegen den Skisport entschieden. Denn die Waadtländerin machte als Teenie auch im Eiskunstlauf gute Figur. In der Romandie zählte sie zu den grössten Talenten. Dabei kam es vor, dass sie in ihrem Heimatort Villars-sur-Ollon neben dem Olympia-Zweiten und zweifachen Weltmeister Stéphane Lambiel trainierte. «Wenn er bei uns war, staunte ich derart, dass ich mich an der Bande festhalten musste», blickt Chable lachend zurück.
Als sie letzte Woche in Champéry VS Lambiel wieder begegnet, hat sie ihr Lampenfieber im Griff. Obwohl sie Grund dazu hätte: Chable ist vier Jahre nicht auf einem Eisfeld gestanden, die Schlittschuhe der Mutter sind von vorgestern, und der kleine linke Zeh schmerzt, weil er in Nordamerika eingefroren ist. Lambiel macht Mut: «Das ist wie Velo fahren, das verlernst du nie.»
Chable schlägt sich wacker. Der lädierte Zeh tut weniger weh als in normalen Schuhen. Das Duett mit Lambiel funktioniert. Als er sie für eine Übung umarmt, entfährt es ihr: «Oh, la, la!» Experte Lambiel ist zufrieden: «Wir hatten viel Spass!»
Wieso hat Chable mit Eiskunstlauf aufgehört? Die Maturandin sagt, dass sie sich unter den Ski-Leuten wohler gefühlt habe. Der Nervenkitzel auf der Piste sei prickelnder. Und dass sie sich lieber der Zeitmessung stelle als einer Jury. «Charly» glaubt, sie hätte es im Eiskunstlauf nie an die Weltspitze geschafft. Sie sieht aber positive Auswirkungen fürs Skifahren: «Das Tempogefühl ist ähnlich. Beim einen fliegt man übers Eis, beim anderen durch die Tore.»
Und wie steht es um Lambiels Ski-Künste? «Es ist wirklich schlimm», so der 30-Jährige aus Lausanne, «ich fahre nur einmal pro Jahr Ski. Weil ich keine Technik habe, mache ich alles mit der Kraft in den Beinen.» Lambiel ist fünf Jahre nach seinem Rücktritt vom Wettkampfsport immer noch topfit. Für seine Shows (aktuell «Ice Legends» am 22. April in Genf) trainiert er täglich.
Daneben führt er eine Eiskunstlauf-Schule. Diese hat er eröffnet, weil es ihn traurig stimmte, dass die Schweiz in seiner Sparte bei Olympia in Sotschi nicht vertreten war. Er will Talente nach Pyeongchang bringen. 2018 möchte auch Charlotte Chable bei Olympia am Start stehen. Lambiel schwärmt ihr vor: «Der Olympia-Spirit ist das Schönste, was man als Sportler erleben kann.» Sein Tipp zum Abschied: «Setz dir keine Grenzen!»