Kerrigan-Attentäter packt über Skandal vor 30 Jahren aus
«Ich sollte ihr die Achillessehne durchschneiden»

Vor 30 Jahren verletzte Shane Stant US-Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan mit einem Schlagstock. Nun erzählt der Attentäter die Hintergründe des Skandals, der damals die Sportwelt bewegte.
Publiziert: 08.01.2024 um 11:05 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2024 um 13:16 Uhr
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Konkurrentinnen aus dem gleichen Team: die US-Eiskunstläuferinnen Tonya Harding (l.) und Nancy Kerrigan an den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer.
Foto: Keystone

Es ist einer der grössten Skandale der Sportgeschichte: Am 6. Januar 1994 verletzte ein Attentäter die amerikanische Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan (damals 24) am Bein. Brisant: Drahtzieher der Attacke war der Ehemann von Kerrigans Landsfrau und Konkurrentin Tonya Harding (damals 23).

30 Jahre nach dem Skandal spricht der angeheuerte Attentäter Shane Stant über die Hintergründe seiner Tat. «Ich war damals auf mich allein gestellt, seit ich 15 Jahre alt war. Mein Vater war drogensüchtig, Alkoholiker und Dealer», sagt Stant zur «Bild am Sonntag». «Zum Zeitpunkt, als ich Kerrigan angegriffen habe, war ich in alle möglichen kriminellen Machenschaften verwickelt.»

Die Erzählungen von damals tönen wie aus einer anderen Zeit: Das Internet war kaum verbreitet, Stant kannte sein Opfer nur von einem Foto. Vom Motiv hatte er nur eine ungefähre Ahnung: Kerrigan, damals der Liebling von Fans und Medien, sollte so stark verletzt werden, dass an den bevorstehenden Olympischen Spielen von Lillehammer (No) der Fokus ganz auf Harding gerichtet wird.

Zum Attentat kommts dann bei einem Training im Vorfeld der US-Meisterschaften. Stant schmuggelt einen Schlagstock in die Eishalle von Detroit. «Ich wusste genau, was ich tun wollte, welches Bein ich treffen wollte. Ich bin Rechtshänder, sie hatte mir ihren Rücken zugekehrt. So hatte ich den perfekten Winkel, um ihr gegen das rechte Bein zu schlagen.»

Der Trugschluss des Attentäters

Stant schlägt einmal zu. Kerrigan geht schreiend zu Boden. Er flieht durch die Stadionkatakomben, springt durch eine verschlossene Plexiglastüre ins Freie, wo sein Onkel mit dem Fluchtauto wartet. Stant bekommt 6800 Dollar. Im Erfolgsfall hätte es mehr werden sollen. Es läuft aber bei weitem nicht alles nach Plan.

«Die Auftraggeber schlugen vor, dass ich Kerrigan die Achillessehne durchschneide. Ich war aber der Meinung, dass das nicht nötig wäre», sagt Stant. Eine Annahme, die sich als Trugschluss herausstellt: Kerrigan erholt sich überraschend schnell von ihren Verletzungen. Im Fokus der gesamten Sportwelt läuft sie sechs Wochen nach dem Attentat in Lillehammer zu Olympia-Silber. Harding, die ihre Mitwissenschaft erst Jahre später gesteht, wird Achte. «Beauty Crushes the Beast», titelt eine norwegische Zeitung.

Schon vor Olympia zieht sich die Schlinge um Stant zu: Weil Shawn Eckardt, zusammen mit Hardings Mann Jeff Gillooly einer der beiden Drahtzieher, öffentlich mit seinem Wissen zur Tat prahlt, kommen die Ermittler rasch auf die richtige Spur. Nur eine Woche nach der Attacke werden Eckardt und Gillooly verhaftet. Stant stellt sich dem FBI und muss 15 Monate ins Gefängnis, gefolgt von 36 Monaten Bewährung.

Inzwischen hat Stant den Weg zurück ins Leben gefunden. Er verwaltet in Kalifornien Apartments und arbeitet als Lebenscoach. «Dort helfe ich Menschen, die ähnliche Dinge wie ich durchlebt haben und aus vergleichbar schweren Verhältnissen stammen.» Bei seinem Opfer Nancy Kerrigan hat er sich nie entschuldigt: «Ich würde mich nicht wohl damit fühlen, mich in ihr Leben zu drängen.» (cmü)

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