Sie sind im Winter vor einem Jahr die schnellsten Zwillinge des Landes! Die frühere Anschieberin Eveline Rebsamen (25) sitzt neu an den Steuerseilen. Schwester Rahel, 2018 im Bob von Sabina Hafner Olympia-Neunte, schiebt an. Die Zwillinge bekommen nach guten Europacup-Auftritten 2019 in St. Moritz ihre erste Chance im Weltcup – und büssen nur 0,24 Sekunden auf die Schweizer Nummer 1 bei den Frauen, Martina Fontanive, ein.
Doch dann wird der hoffnungsvolle Aufstieg des neuen Frauen-Teams jäh gestoppt. Als letzten Spätherbst die neue Bob-Saison beginnt, fehlt von den Rebsamens jede Spur. Die Zwillinge fahren letzten Winter nicht durch die Eiskanäle. Es heisst: «Private Gründe».
Hinter diesem trockenen Begriff versteckt sich aber der süsseste Grund, eine Wettkampfpause einzulegen! Die Luzernerinnen sind praktisch gleichzeitig schwanger geworden. Und nun, als ihre Gegnerinnen mitten in der Europa- und Weltcup-Saison stecken, werden sie innerhalb von dreieinhalb Wochen Mutter. «Das war so nicht geplant», sagt Pilotin Eveline über das familieninterne Winter-Märchen, «es ist auch für uns unheimlich, dass wir gleichzeitig schwanger wurden!»
Doppel-Aus für die Winter-Saison
Als Spitzensportlerinnen verzichten sie auf Hormone, was unbemerkt die Zyklen verschoben hatte. Es ist Mitte April, als Rahel ihre Schwangerschaft bemerkt. «Sie hatte zunächst fast ein schlechtes Gewissen», erzählt ihre Schwester, «da sie dachte, ich müsse die Saison mit einer anderen Anschieberin bestreiten.»
Eveline erfährt Ende Mai: Auch bei ihr ist ein Baby unterwegs. Rahel sagt schmunzelnd: «So war plötzlich klar, dass niemand von uns im Winter Bob fahren wird.» Trotzdem läuft die Bob-Fahrerin als angestammte Leichtathletin im Juni noch Hürden-Rennen und ist an den European Games in Minsk dabei.
Nun sind beide Babys da. Gesund und munter. Anfang Januar kommt Rahels Tochter zur Welt. Dreieinhalb Wochen darauf Evelines Sohn. Der Rebsamen-Zweierbob ist jetzt ein Viererbob! Fürs SonntagsBlick-Fotoshooting stellt Weltcup-Pilot Timo Rohner den Vierer seiner Rohner Bulls zur Verfügung – im Frauen-Bob gibt’s ja keine grossen Schlitten.
Das Comeback ist geplant
Die zwei herzigen Winzlinge scheinen sich mit ihren Mamis im Bob schon richtig wohl zu fühlen. Bei Rahels Maliyah («ein Name aus Hawaii, der uns einfach gefallen hat») ist das Bob-Fahren womöglich sowieso in die Wiege gelegt worden: Ihr Freund ist der Walliser Patrick Kuonen, Anschieber im Team seines Bruders Michael Kuonen. Evelines Sohn Kenechukwu wird dafür zweisprachig aufwachsen. Ihr Freund hat Wurzeln in Nigeria, sie haben sich vor vier Jahren beim Sprachaufenthalt in Irland kennengelernt.
Heiraten ist bei beiden Zwillingen aktuell nicht geplant. Dafür wollen sie aber wieder Teilzeit arbeiten (Eveline im KV, Rahel als Schneiderin) – und ihr Bob-Comeback geben. Die Rebsamens sind zuversichtlich, dass sie körperlich wieder aufs Niveau kommen werden. Beim Bob-Verband wurde ihr Status «eingefroren», die verpasste Saison hätte keine negative Auswirkung. Die Sporthilfe hat in der Baby-Pause weiter unterstützt. Und als Absolventinnen der Spitzensport-RS könnten sie wie einige ihrer männlichen Bob-Kollegen fürs Training und die Rennen WK-Tage einsetzen.
Muss Eveline wieder Anschieberin werden?
Aber die Saison-Planung wird mit den beiden Kindern komplizierter – und teurer. Eveline: «Finanziell wird es schwierig. Wir müssten einen Mechaniker einstellen, weil ich neben dem Bobfahren und der Kindbetreuung nicht noch stundenlang in der Garage arbeiten könnte.» Das Team Rebsamen braucht rund 100´000 Franken Sponsorengelder, um weiterhin als Zwillings-Duo zu fahren. Plan B ist deshalb: Eveline wird nach nur einer Saison als Pilotin wieder wie früher Anschieberin. «Dann wäre von uns jeweils nur eine unterwegs. Das Baby wäre dann zum hüten bei der jeweiligen Schwester daheim», grübeln die Zwillinge.
Klappts doch mit dem Comeback als Team, kann man im Weltcup getrost eine Mama-Wertung einführen: Die frühere Weltmeisterin Elana Meyers Taylor (35) aus den USA hat ebenfalls eine Babypause gemacht und will zurückkehren.