Bob-Triumph nach Hirnschlag und Loch im Herzen
Brachers erster Sieg ist ein kleines Wunder

Die Bob-Welt steht kopf. Clemens Bracher fährt in seinem zweiten Weltcup-Rennen als Pilot zum ersten Sieg. 1662 Tage zuvor hing das Leben des 30-jährigen Emmentalers an einem Faden.
Publiziert: 11.12.2017 um 14:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:11 Uhr
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Clemens Bracher entging vor viereinhalb Jahren knapp dem Tod.
Foto: imago/Ed Gar
Carl Schönenberger

Es sei der 22. Mai 2013 gewesen, erzählte Clemens Bracher vor einem Jahr der Berner Zeitung. «Auf einmal konnte ich nicht mehr sprechen, mich kaum noch bewegen. Kurz darauf war ich bewusstlos.» Zum Glück sei er zu diesem Zeitpunkt in Zollikofen BE gewesen und habe umgehend ins Berner Inselspital gebracht werden können.

«Hätte ich mich alleine zu Hause befunden, wäre ich jetzt nicht mehr da. Das haben mir die Ärzte mehrmals gesagt.» Ein Loch im Herz sei für den Hirnschlag verantwortlich gewesen, der Schaden wurde operativ behoben.

Dass seine rechte Körperhälfte danach noch kurzzeitig gelähmt blieb, war für einen Bewegungs-Freak wie Clemens Bracher ein Riesen-Schock. Er, der 1,88 m grosse und 95 kg schwere Brocken, der Volleyball in der 1. Liga spielte, Hornusser war, sich als 100-m-Sprinter bei Leichtathletik-Wettkämpfen mass.

Sprachloser Clemens Bracher

Doch wohl gerade dank seines Sports hat er sich während der Reha in Magglingen schneller als jeder «Normalo» erholt. Und dort beim gemeinsamen Training erst noch den Schwing-Giganten Christian Stucki kennengelernt, der mittlerweile ein guter Freund von Bracher ist.

Kaum reden kann Clemens Bracher auch 1662 Tage nach seinem Hirnschlag. Sein erster Weltcup-Sieg mit Anschieber Michael «Chüeni» Kuonen am Samstag beim Zweier-Rennen in Winterberg (De) macht ihn diesmal sprachlos. «Wenn ich bisher andere Sportler sagen hörte, sie fänden gar keine Worte nach einem grossen Erfolg, dann habe ich das nicht geglaubt. Aber jetzt geht es mir selber so.»

Dem deutschen Dreifach-Weltmeister Francesco Friedrich und den starken Amis und Kanadiern blieb nur das Staunen. Ein Schweizer Piloten-Greenhorn, das auf der Weltcup-Bühne erst zum zweiten Mal überhaupt die Steuerseile selbst in den Händen hielt, hat alle geschlagen.

Die Bahn in Winterberg liegt Bracher

Clemens Bracher hat seinen Vorteil eiskalt ausgenützt. Während die Cracks der Zunft drei Wochen lang in Übersee von Weltcup zu Weltcup hetzten, hat er mit seinem Team auf den Bahnen Europas in Ruhe trainiert und ist Europacup-Rennen gefahren. «Dass mir die Bahn von Winterberg liegt, das habe ich schon gewusst», sagt der Newcomer lapidar.

Während die Steuerseile für den Emmentaler noch relativ neu sind, ist das Bobfahren für den Heizungsanlagen-Bauer seit bald zehn Jahren normal. Als Anschieber hat er Beat Hefti beschleunigt und später Rico Peter.

Die Tür zu Pyeongchang steht weit offen

Bereits nach der Saison 2012/13 hat er sich vom Bob-Verband überzeugen lassen, selbst die Piloten-Ausbildung zu machen – denn Nachwuchs-Steuerleute sind hinter den Oldies Beat Hefti (39) und Rico Peter (34) in unserem Land eine absolute Rarität. Dass zeitweise der bald 50-jährige Billi Meyerhans als Notnagel im Weltcup einspringen muss, sagt alles.

Jetzt können Clemens Bracher und Michael Kuonen dank dem Sieg von Winterberg also bereits die Olympischen Spiele vom Februar in Pyeongchang (SKor) ins Auge fassen. Falls bis dann das Schicksal nicht noch einmal zuschlägt. Nur zwei Wochen vor dem Winterberg-Triumph hat Bracher beim Training in Altenberg nämlich auch die andere Seite des Bob-Pilotenlebens erfahren müssen. Bei einem heftigen Sturz hat er sich eine Absplitterung an der Kniescheibe zugezogen. Auch dass er danach am vergangenen Samstag bereits wieder antreten konnte, ist schier ein Wunder.

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