Darum gehts
- Muttersein als Spitzensportlerin: Herausforderungen und mögliche Lösungen
- Einzelsportlerinnen organisieren sich selbst, Teamsportarten sind komplizierter
- IOC-Reaktion: Im Olympischen Dorf 2024 in Paris gabs eine Kita
Spitzensportlerin sein ist schwer – als Mutter mit einem Kleinkind umso mehr! Die schnellste Schweizer Bob-Anschieberin, Nadja Pasternack (28), fühlt sich mit ihren Bedürfnissen als Mama ihrer einjährigen Tochter vom Schweizer Verband Swiss Sliding ziemlich alleinegelassen.
Wie läuft es mit Spitzensport-Müttern in anderen Fällen ab, wo viel im Ausland herumgereist werden muss? Klar ist: Einzelsportlerinnen wie Belinda Bencic (28) oder früher Nicola Spirig (43) können sich nach eigenem Gutdünken auf der Tennis- respektive Triathlon-Tour organisieren.
Komplizierte Organisation in Mannschaftssportarten
So war die Ostschweizerin zum Beispiel mit Tochter Bella am Australian Open, die Betreuung im Hotel stellte ihr Mann Martin Hromkovic sowie die beiden Grosseltern-Paare sicher. Aber klar: Eine Rundumbetreuung mit angestelltem Personal, wie es sich etwa Roger Federer (43) während der Karriere leistete, ist in wenig lukrativen Sportarten wie Bob undenkbar.
Noch komplizierter wirds im Schlittensport zudem, weil es sich um eine Teamdisziplin handelt, wo der Verband Organisatorisches wie Hotels, Trainings, Reisen, Teamsitzungen und so weiter verantwortet.
Pasternack weist auf das amerikanische Team hin. Mit Elana Meyers Taylor (40) ist eine zweifache Mutter seit Jahren erfolgreich im Bob-Weltcup dabei. Der ältere ihrer beiden Söhne wurde 2020 mit dem Downsyndrom geboren. Die vierfache Weltmeisterin schildert in einem Interview auf der Olympia-Website, dass ihr Buben-Duo im US-Team voll integriert sei. «Sie sind bei Meetings dabei, sie sind die ganze Zeit bei uns. Jeder im Team hat die Möglichkeit, mit ihnen zu interagieren, und sie interagieren auch sehr gut mit ihnen», sagt Meyers Taylor und ergänzt, ihre Kids hätten auch einen positiven Einfluss aufs Betriebsklima: «Im Team kann es kein Drama geben, wenn die beiden dabei sind.»
Ebenso im Eiskanal war bis zu ihrem Karriereende 2023 die deutsche Rodlerin Natalie Geisenberger (37) tätig. Von ihren sechs Olympia-Goldmedaillen gewann sie die letzten zwei in Peking 2022 als Mutter.
Für die nun erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin der Geschichte war klar, dass sie ihr Mama-Comeback nur wagt, wenn ihr Sohn dabei sein kann. «Ich kann mir nicht vorstellen, ihn kurz an Weihnachten zu sehen und das nächste Mal dann im März, weil man monatelang weg ist.»
Im Olympischen Dorf gab es 2024 erstmals eine Kita
So wurde die Betreuung zum Familienprojekt. Geisenbergers Mann behielt seinen Job als Banker, arbeitete aber öfters von unterwegs. Und auch die Grosseltern des Kindes übernahmen regelmässig den Hütedienst im Hotel. Familienhund inklusive.
Mittlerweile hat auch das IOC auf die grösser werdende Anzahl Eltern im Spitzensport reagiert. Im Olympischen Dorf der Sommerspiele in Paris gab es 2024 erstmals eine Kita für Kinder von Athletinnen und Athleten.
Und im populärsten Teamsport der Welt? Im Fussball kehrt man im Alltag nach dem Training oder den Spielen nach Hause zurück – die Kinderfrage wird aber bei Trainingslagern oder grossen Turnieren zum Thema. Wie nun bei der Schweizer Frauen-Nati. Die Frau von Stürmerin Ramona Bachmann (34) wird im Mai einen Sohn auf die Welt bringen. Bachmann wünscht sich, dass ihr Baby während der Heim-EM im Juli im Teamquartier dabei sein kann.
Das Vorbild dabei: Das deutsche Team, bei dem die frühere Schweizer Trainerin Martina Voss-Tecklenburg (57) an der EM 2022 ihrer Torhüterin Almuth Schult (34) gestattete, die jungen Zwillinge mit ins Teamhotel zu nehmen. Schult sagte damals: «Am Anfang war es auch schwierig für meinen Verein und die Nationalelf – sie hatten ja keine Erfahrung mit Spielerinnen, die Kinder haben. Aber sie haben sich sehr gekümmert, das weiss ich zu schätzen.»
Etwas, was Nadja Pasternack offenbar schmerzlich vermisst.