«Ich habe noch keinen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei herum.» Mit diesem Zitat hat Franz Beckenbauer, der Mann, der zwischen Weltmeister und Suppenkasper pendelt, einst das Niveau der endlosen Diskussion über diese WM festgelegt. Froh darüber, dass die Scheinwerfer weg vom gekauften deutschen Sommermärchen Richtung Wüste schwenkten.
Und dann sind sie ausgeschwärmt, die investigativen Journalisten. Und haben einen Film nach dem anderen heimgebracht. Viel Neues und Enthüllendes war nicht dabei. Allein die geballte Aufarbeitung der letzten Jahre rund um die Vergabe dieser WM ist erschreckend genug.
Die Fifa ist das glitschigste Konstrukt nach der Erfindung der Schmierseife. Scheich Gianni Infantino hat das Unmögliche geschafft. Und dafür gesorgt, dass das Image des Weltfussballverbands nochmals tiefer in den Keller gefallen ist.
150 Millionen Bestechungsgelder sollen geflossen sein. Für eine WM, die 150 Milliarden kostet. Dass bestochen und betrogen wurde, wissen wir. Und auch, was im Wüstenstaat alles falsch läuft. Auch der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger ist ausgeschwärmt. Und empfiehlt den Fans den Boykott. Er selber fliegt als TV-Experte nach Katar. Sein Arbeitgeber muss die Millionen wieder reinholen, die er für die Rechte bezahlt hat.
Für das deutsche Fernsehen tritt auch der Schweizer Guido Tognoni ins Rampenlicht und hebt den Mahnfinger. «Ich habe miterlebt, wie die Weltmeisterschaften aufgrund korrupter Vorgänge vergeben worden sind», sagt er. Mittendrin statt nur dabei.
Nur: Die Fifa war jahrelang sein Arbeitgeber. Die Uefa genauso. Später hat er sich als Berater von Katar entlöhnen lassen. Als er bei korrupten WM-Vergaben offenbar daneben stand, da blieb er aber stumm wie ein Fisch.
Die Kritik an dieser WM-Vergabe und in gewissen Teilen auch am Veranstalter mag richtig und angebracht sein. Aber fast so schlimm ist diese schamlose Heuchelei, diese ätzende Doppelmoral. Auch die Liste der Fussballer, die schon in der katarischen Liga ihr Karriereende vergolden liessen, ist lang. Neben Stefan Effenberg oder Mario Basler hat auch Hakan Yakin, der Bruder unseres Naticoaches, im Wüstenstaat gespielt. «Doha ist wie Schwamendingen», hat er in einem Blick-Interview mal über die katarische Hauptstadt gesagt. Und präzisiert: «Dubai ist wie Zürich. Eine Stadt. Doha ist ein Dorf. Wie Schwamendingen.»
Und lange vor Scheich Gianni hat auch Hakan Yakin frohlockt: «Die WM in Katar wird die beste WM aller Zeiten. Das wird eine Riesenstimmung vor Ort.»
Heuchlerisch verhalten sich in diesen Wochen ganz viele, die jetzt schimpfen. Wellnessen auf dem Bürgenstock der Katarer? Dinieren im Berner Schweizerhof der Katarer? Aufatmen, wenn die Katarer der Credit Suisse unter die Arme greifen? Katar ist überall.
Darum ist es jetzt Zeit, dass es endlich losgeht. Denn der Ball ist bald der Einzige, der in Zusammenhang mit dieser WM noch in den Spiegel schauen kann, ohne rot zu werden.