Weisse Bänder in grüner Landschaft. Dieses Bild hat den schneearmen Winter geprägt und den Tourismusverantwortlichen den Angstschweiss auf die Stirn getrieben. In den höheren Lagen gab es seit 50 Jahren noch nie so wenig Schnee. Im Bereich von 1000 bis 2000 Meter war es seit Messbeginn der schneeärmste Winter.
Da waren alle froh, dass sich die Klimaaktivisten auf die Autobahnen und nicht auf die Schneekanonen geklebt haben.
Nach dem Rekordwinter 21/22 ist jetzt wieder Ernüchterung eingetreten. Man sucht nach Alternativen für den Skisport. Bike-Trails, Rodelbahnen, Hängebrücken. Alles wird in Betracht gezogen, wenn die Hänge grün bleiben.
Dabei liegt die Lösung auf der Hand. Nach der Skisaison ist vor der Skisaison. Das Stichwort dazu heisst Grasski. Ein Sport, der bereits 1985 vom internationalen Skiverband integriert wurde und seither offizielle Sportart der FIS ist. Slalom, Riesenslalom, Super-G und Super-Kombination gehören zum Programm. Alle zwei Jahre wird eine Weltmeisterschaft ausgetragen.
In den 70er- und frühen 80er-Jahren war Grasski populärer als heute. Und gehörte im Sportpanorama neben dem Waffenlauf mit Albrecht Moser, dem Radball mit Oberhänsli/Meili und dem Radquer mit Albert Zweifel immer wieder zum Programm. Auch Erika Hess ist damals im Sommer zu Trainingszwecken Grasski gefahren.
Jetzt wäre Grasski eine Alternative für alle Bergbahnbetreiber und Tourismus-Strategen. Der beste Schweizer Grasskifahrer heisst Mirko Hüppi. Der 33-jährige Slalomspezialist aus Gommiswald SG ist vierfacher Weltmeister und hat 15 Weltcupsiege auf dem Konto. Mit 10 Jahren stand er erstmals auf den Grasski.
Drei Mitglieder umfasst die Nationalmannschaft der Männer. In Italien, in Österreich, in der Slowakei, aber auch in Japan ist der Sport um einiges populärer. Eine fixe Trainingspiste gibt es in der Schweiz nur noch auf der Marbachegg im Entlebuch LU. Dort, wo ab dem 8. September das Heimrennen stattfindet. Nach der WM, die Ende August in Cortina (I) über die Bühne geht.
«Die Pisten müssen präpariert sein. Wenn vorher Kühe geweidet haben, kann man nicht fahren», sagt Slalomspezialist Hüppi. Ein weiteres Problem: Der Unterhalt der Grasski ist aufwendig. Die Rollen müssen gereinigt und geölt werden. Und: Bremsen geht nur mit einer grossen Kurve. Rutschphasen gibt es nicht. Von daher waren die Grasskifahrer schon immer im Carving-Stil unterwegs.
Spielt die Klimaerwärmung dem Grasski in die Karten? «Es ist schon möglich, dass auch Alpinfahrer im Sommer wieder Alternativen brauchen, wenn es auf den Gletschern eng wird», sagt Hüppi dazu.
Auf der Wiese der Hoffnung weiden viele Narren, sagt der Volksmund. Jetzt könnte es sein, dass die grüne Wiese bei Schneemangel für die Bergbahnbetreiber tatsächlich auch zur Hoffnung werden könnte. Erlebt das Grasski einen neuen Boom?