Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Fredy soll jetzt ins Yoga

Fredy fährt Ski und läuft Marathon. Aber jetzt sollte er etwas für seine Beweglichkeit tun. Er denkt an Yoga. Aber nur kurz. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 25.08.2024 um 20:27 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2024 um 13:28 Uhr
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Blick-Reporter Felix Bingesser über das Älterwerden und was das für den Körper bedeuten kann.
Foto: Thomas Meier

Er müsse sich, sagt Frau Rosmarie beim Frühstück zu Frühpensionär Fredy, einmal Gedanken machen. Sie hat heimlich beobachtet, wie er mangels Gleichgewicht, Beweglichkeit und Koordination die von ihr gestrickten Wollsocken unter ordentlichem Gegrunze auf der Bettkante sitzend angezogen hat. Und nicht mehr, wie früher, tritt- und stilsicher aufrecht im Schlafzimmer.

Beim Frühstück schlägt sie Fredy vor, er könne sie einmal zum Yoga begleiten. Die aus Indien stammende Lehre mit den vielerlei Ausdrucksformen hat längst die Welt erobert. Rosmarie schwärmt, wie sie dank Yoga ihre Beweglichkeit der jungen Jahre zurückerhalten hat. Aber bei Fredy läuten alle Alarmglocken.

Er stellt sich vor, wie er bei gedämpfter Musik und dem süssen Geruch eines Räucherstäbchens im «Vierfüsslerstand» (Bharmanasana) neben seiner Frau und ihren Freundinnen auf einer Matte kauert. Oder im «Herabschauenden Hund» (Adho Mukha Svanasana) die Rückenmuskulatur streckt.

Weil der Yogakurs am gleichen Abend stattfindet wie der Jassabend mit seinen Kollegen, verwirft Fredy den Plan seiner Frau zwischen dem ersten und dem zweiten Gipfeli blitzartig. «Esoterischer und meditativer Firlefanz», brummelt er.

«Du bist auch gedanklich unbeweglich und festgefahren. Voller Klischees», ärgert sich Rosmarie. Und kommt mit einem neuen Vorschlag. Jüngst hat sie im Fernsehen gesehen, dass ältere weisse Männer in einem orientierungslosen Zustand seien. Diese gendernde und wokende Gesellschaft treibe sie in den Wahnsinn. Sie hat sofort an Fredy gedacht.

In der «Rundschau» wurde berichtet, wie diesen Männern unter Anleitung eines Coaches ihre neue Rolle als sensibler und verletzlicher Teil der neuen Gesellschaft beigebracht wird. Sie dürfen sich an der Schulter eines anderen hemmungslos ausweinen. Sie laufen gemeinsam mit verbundenen Augen durch den Wald und stossen animalische Töne aus, bevor sie den Schlafsack ausbreiten und schlotternd über ihr Leben nachdenken.

«Den Hamstern stellt man ein Rad in den Käfig, und die Männer sollen jetzt in einen Findungsworkshop. Nicht mit mir», schmettert Fredy auch diesen Vorschlag ab.

Aber dass er seine Muskulatur gezielter stärken muss, ist ihm klar. Das hat schon William Shakespeare gewusst. «Unser Körper ist unser Garten, und unser Wille ist unser Gärtner», zitiert Fredy den englischen Dichter. Und er erinnert sich plötzlich daran, was er einst über Olympiasieger Bernhard Russi gelesen hat. Der macht seit vielen Jahren während dem Zähneputzen Kniebeugen. Für jedes Altersjahr eine. Seit letzter Woche also jeden Abend 76. «Das mache ich jetzt auch», sagt Fredy.

Seine Frau schaut ihn mitleidig an. Und stellt im schillernden Morgenlicht zu allem Übel fest, dass seine Körperbehaarung sich mittlerweile verhält wie lästige Neophyten. Und nicht mehr da spriesst, wo sie hingehört. Sondern unkontrolliert in eher wärmeren Gefilden wuchert. Bevorzugt in den Nasenlöchern und den Ohrmuscheln.

Statt mit prahlerischen Shakespeare-Zitaten den kultivierten Bildungsbürger zu spielen, würde er lieber mal wieder selber der Gärtner sein. Denkt sie.

Sie verkneift sich den bissigen Spruch. Sie will einen ruhigen Netflix-Abend.

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