«Die Ski zeigen in der Falllinie nach unten.» Zum Glück! «Es geht hin und her in diesem Slalom.» Welche Überraschung! «Das Rezept ist klar: Auf dieser Strecke muss man einfach den Ski laufen lassen und das Tempo mitnehmen.» Auf den anderen Strecken nicht? «Diese Tore sind jetzt ganz wichtig.» Die davor und danach sind egal? «Er sollte den Schwung mitnehmen!» Wohin? Ins Hotelzimmer?
Als geneigter Skifan und TV-Zuschauer ist man in den letzten zwei Wochen strapaziert worden mit floskelhaftem Geplapper. An das «nicht hinten sitzen, den Aussenski mitnehmen, zentral über dem Ski stehen und wie auf Schienen fahren» hat man sich gewöhnt. Aber vor immer neuen Plattitüden bleibt einem nach so einer geballten Ladung TV der feuchte Schnee im Hals stecken.
Darum hat es auch etwas Erlösendes, wenn die Wettkämpfe im mondänen Savoyen zu Ende gehen. Wie immer sind diese Titelkämpfe eine schweizerisch-österreichische Nabelschau. Global gesehen ist und bleibt eine Ski-WM eine Randnotiz. 99 Prozent der Weltbevölkerung interessieren sich nicht für den Skisport. Selbst im Austragungsland Frankreich wurden nicht alle Rennen live übertragen. Und wenn, dann wurden sie ins dritte Programm abgeschoben.
Das soll ja unsere Skibegeisterung nicht schmälern. Aber wenn man immer wieder von der Globalisierung dieses Sports und den vermeintlich unendlichen Vermarktungsmöglichkeiten fabuliert, dann ist dies ein Hirngespinst.
Als der Engländer Dave Ryding den Slalom in Kitzbühel gewinnt, wird er gefragt, wer denn den Namen Ryding in England kennt. «Die Leute in meinem Dorf», sagt Ryding. Und wenn man vom grenzenlosen chinesischen Markt spricht: Im neu gebauten Skigebiet der Olympischen Spiele von Peking werden die Unterkünfte seither weitgehend genutzt, um Menschen mit Corona zu isolieren. Wer meint, aus China eine Skination machen zu können, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
In Courchevel/Méribel wurden auch wunderbare Geschichten geschrieben. Alexis Pinturault ist mehr als ein verwöhntes Millionärssöhnchen. Er hat in der Heimat nach einer schwierigen Saison geliefert. Ricarda Haaser und ihr Bruder Raphael sind zwei wie Pech und Schwefel. Sie haben noch nie etwas gewonnen. Und jetzt werden sie innerhalb von 24 Stunden zu WM-Medaillengewinnern. Wunderbar.
Aber am eindrücklichsten ist die gelebte Fairness zwischen Aleksander Aamodt Kilde und Marco Odermatt. Mit welch ehrlicher Freude der geschlagene Odermatt im Super-G seinen Rivalen herzt, ist grossartig. Wie freundschaftlich, ehrlich und respektvoll Kilde in der Abfahrt Odermatt umarmt, ist berührend.
Auf und neben der Piste und in den Interviews sind das zwei Champions erster Güte. Auf die Beziehung mit Mikaela Schiffrin angesprochen, sagt Kilde vor Wochen im Sportpanorama: «Ich liebe sie. Und sie liebt mich. Glaube ich.» Ehrlicher geht nicht.
Im Sport gab und gibt es auch Hass-Duelle, Zickenkriege, Rivalitäten bis zur Verbitterung.
Und dann gibt es Odermatt und Kilde. Sie setzen nicht nur auf der Piste Massstäbe, sondern auch mit ihrer weltmeisterlichen Fairness!
Sportlicher Ruhm verblasst. Persönlichkeit bleibt.