Glück und Freude, Tragödie und Trauer. Die Achterbahnfahrt des Lebens und des Sports hat in diesen Tagen einen Namen: Odermatt.
Vor einer Woche feiert Marco Odermatt in Adelboden seinen grossartigen Triumph und lässt die Ski-Schweiz ausflippen.
48 Stunden später stirbt Josef «Seppi» Odermatt, Namensvetter von Marco und ebenfalls Nidwaldner, im Alter von nur 69 Jahren im Altersheim in Buochs. Der Jubel von Adelboden hallt nicht bis nach Buochs.
Seppi Odermatt stirbt einsam, mittellos, vergessen.
Auch Seppi ist einst ein begnadeter Skirennfahrer. Er wird zweimal Vizeweltmeister bei den Profis in den USA. In jungen Jahren ist er mit seinen langen, wehenden blonden Haaren gar der Sunnyboy des Schweizer Skisports.
Seppi wächst als eines von vier Kindern in Dallenwil auf. Er wird Fensterbauer wie sein Vater. Und er ist ein begeisterter Skifahrer, hat Talent und Mut, wird gefördert und schafft es in die Nationalmannschaft. Dort teilt er mit Roland Collombin das Zimmer.
Ein liebenswerter, gutgläubiger Paradiesvogel
Collombin und Odermatt. Zwei aus demselben Holz. Hoch talentiert, aber den Genüssen des Lebens überaus zugetan. In der Abfahrt in Garmisch stürzt Seppi spektakulär und liegt danach mit seinen schweren Rückenverletzungen wochenlang im Spital.
Er fliegt aus dem Kader von Swiss-Ski und geht mit 23 Jahren in die USA. Dort duelliert er sich mit Leuten wie Hansi Hinterseer, der sein Freund wird. Und mit ehemaligen Weltcup-Stars wie Walter Tresch und Werner Mattle, die im Profibetrieb in Amerika zum Ende der Karriere ihre Kasse aufbessern. Zweimal wird Seppi Vizeweltmeister. Der Tiroler Andre Arnold steht ihm vor der Sonne.
Seppi verdient gutes Geld, lernt Leute wie Bruce Springsteen kennen und wird später in Aspen auch Privatskilehrer von Ivana Trump. Er heiratet eine Spanierin und investiert in ein Mehrfamilienhaus in der Innerschweiz.
Dann beginnt der Abstieg. Seppi, der so liebenswerte, aber auch etwas gutgläubige Paradiesvogel, verfällt den Drogen, raucht Kokain aus der Folie. Er wird nach einem Hausfriedensbruch in den USA kurz ins Gefängnis gesteckt.
Der Hypozins steigt, einige Mieter in seinem Mehrfamilienhaus in der Heimat zahlen nicht mehr. Er eröffnet in der Innerschweiz, als einer der Ersten im Land, ein Fitnesscenter für Frauen.
Doch der gute Seppi betreut eine seiner Kundinnen etwas zu engmaschig. Seine Frau trennt sich von ihm. Es ist eine teure Scheidung. Seppi verliert alles. Der Lebensabend wird zur Tortur.
Der Drogenkonsum hat seine Lunge zerstört. Er lebt mit einem Sauerstoffgerät am Rücken die letzten zwei Jahre im Altersheim. Am letzten Montag bekommt er gar keine Luft mehr. Und erstickt.
Dieser Odermatt ist leise gegangen
Am 21. Januar wird Seppi Odermatt in Dallenwil beigesetzt. Im engsten Kreis. Freunde sind ihm, dem man einst in den USA zugejubelt hat, nur noch ganz wenige geblieben.
In seiner Zeit im Weltcup ist Seppi auch in Kitzbühel gestartet. Sein Namensvetter Marco wird am Tag, an dem Josef Odermatt beerdigt wird, die Streif hinunterdonnern. Die Ski-Welt wird Marco wieder zu Füssen liegen. Es wird laut.
Der andere Odermatt ist gegangen. Ganz leise.