Lieber Heinz Hermann
In wenigen Tagen wird Granit Xhaka sein 118. Länderspiel für die Schweiz bestreiten. Dann wird er Deinen Rekord als Nationalspieler egalisieren. Diese magische Marke, die Dich zu einer grossen Figur des Schweizer Fussballs gemacht hat.
Wir hätten mit Dir gern ein Interview geführt. Zurückgeschaut auf eine grossartige Karriere. Du magst aber nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen. Und hast alle Anfragen und Einladungen abgelehnt.
Das gilt es zu respektieren. Das Rampenlicht hast Du schon früher nie gesucht. Es gibt genug ehemalige Fussballer, die zu allem ihren Senf dazugeben. Ist Deine Meinung.
Trotzdem treffen wir uns zu einem Kaffee im Zürcher Seefeld. Im Quartier, in dem Du Deine Kindheit verbracht und Deine Liebe und Leidenschaft für den Fussball entdeckt hast.
1977 wird der Hardturm zu Deinem Spielzimmer. Du prägst mit GC eine grosse Ära. Vier Meistertitel und ein Cupsieg stehen in der Statistik. Du wirst fünfmal in Folge zum Fussballer des Jahres gewählt. Angebote aus dem Ausland flattern ins Haus.
Damals ist in den grossen europäischen Ligen nicht viel mehr zu verdienen als in der Schweiz. Es ist die Zeit, in der ein Uli Stielike direkt von Real Madrid zu Neuenburg Xamax kommt. Auch andere Weltklassespieler wie Karl-Heinz Rummenigge (Servette), Giancarlo Antognoni (Lausanne) oder Marco Tardelli (St. Gallen) bereichern im besten Fussballalter die Schweizer Liga. Xamax-Patron Gilbert Facchinetti lockt auch Dich mit einem fürstlichen Gehalt an den Neuenburgersee.
Wie Du den Ball in den damals trendigen engen Hosen und mit wehendem Haupthaar durchs Mittelfeld getrieben hast, ist stilbildend. Alle schwärmen vom blonden Engel.
Aber für die Nationalmannschaft sind die Zeiten hart. Weil es damals nur 8 (heute 24) Mannschaften an die EM-Endrunde schaffen und an einer WM-Endrunde damals nur 24 Teams (2026 werden es 48 Teams sein) teilnehmen dürfen, verpasst die Schweiz die Qualifikation regelmässig. Einige Male ganz knapp. Heute ist die Qualifikation bei diesen aufgeblähten Teilnehmerfeldern zur Alibi-Übung verkommen.
Du hast es auch ohne Endrunde und ohne die Nations League auf 118 Länderspiele gebracht.
Heinz, jetzt hast Du die erste AHV-Rente schon auf dem Konto. Nach einem gesundheitlichen Rückschlag bist Du wieder fit und drahtig wie eh und je. Du trägst das Haar immer noch schulterlang, Du wirkst immer noch jugendlich und dynamisch und wirst eher einmal Moos ansetzen, als mit einem Bierbauch durch die Gegend zu spazieren. Und Du bist immer noch der reflektierte und überlegte Gesprächspartner. Dampfplaudern ist nicht Dein Ding.
Deine Ferienanlage in Ibiza hast Du in jüngere Hände gelegt. Bleibst aber weiterhin Pendler zwischen Deiner zweiten Heimat auf der Iberischen Halbinsel und der Schweiz.
Und was bleibt: 118 Länderspiele für die Schweiz, das ist grossartig. Es müssen ausserordentliche Fussballer und Persönlichkeiten sein, die diese Marke erreichen.
Mit lieben Grüssen