Das Internationale Olympische Komitee (IOC) öffnet trotz heftiger Kritik die Tür für die Rückkehr russischer und belarussischer Athletinnen und Athleten in den Weltsport. Die IOC-Exekutive beschloss, den Weltverbänden die Teilnahme der bisher verbannten Sportler unter Bedingungen zu ermöglichen. Vor 13 Monaten, unmittelbar nach dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine, waren die meisten Fachverbände einer IOC-Empfehlung zum Ausschluss der Sportler gefolgt.
Zu den IOC-Bedingungen zählen strikte Neutralität, die Einhaltung des Anti-Doping-Codes und der Nachweis, den Krieg nicht aktiv zu unterstützen. Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus, die dem Militär angehören, bleiben ausgeschlossen, ebenso Mannschaften der beiden Nationen. Eine Entscheidung bezüglich der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 und den Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo 2026 in Paris werde «zu gegebener Zeit» getroffen werden.
«Wir können keine Lösung bieten, die allen gefällt», sagte Präsident Thomas Bach zu Beginn der Sitzung. Das IOC war vor allem in der westlichen Welt von Regierungen und Athleten für die Pläne kritisiert worden, pocht aber auf die Autonomie des Sports und verweist auf die Richtlinien der UN- und olympischen Charta zur Diskriminierung.
Bach behauptete am Dienstag, dass die Teilnahme russischer und belarussischer Athletinnen und Athleten in Sportarten wie Tennis, Eishockey oder Radsport funktioniere. «In keinem dieser Wettbewerbe sind Sicherheitsvorfälle passiert», sagte Bach. Allerdings haben zuletzt besonders im Frauentennis die Auseinandersetzungen zwischen den neutralen Athletinnen aus Russland und Belarus und ihren Kontrahentinnen aus der Ukraine zugenommen.
Kommt es nun zur grossen Boykott-Welle?
Die Entscheidung des IOC löst unzählige Reaktionen aus. Besonders in der westlichen Welt wird das IOC für sein Vorgehen kritisiert. Viele Verbände wünschten sich, dass russische und belarussische Athleten von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen blieben. Neben der Schweiz unterstützten auch andere Top-Sportnationen wie Grossbritannien, die USA, Australien, Japan und Frankreich diese Haltung. Aber vor allem aus Afrika, Asien, Südamerika und Ozeanien erhält das IOC im Bestreben um eine Rückkehr von Russen und Belarussen viele Befürworter.
Anders sieht es in Ostmitteleuropa aus. Das ZDF berichtete schon im Februar über Pläne, initiiert von Polens Sportminister Kamil Bortniczuk, dass eine Koalition von 40 Staaten zusammen die Olympischen Spiele boykottieren könnte, falls das IOC russische und belarussische Athleten wieder zulassen würde. Im Fechtsport hatten sich 300 aktive und ehemalige Athleten in einem Brief ans IOC gewendet und es gebeten, die Sanktionen aufrechtzuerhalten. Weitere Reaktionen und damit wohl auch Aufrufe zu oder Androhung eines Boykotts dürften folgen. (AFP/SDA/dti)