Missbrauchsvorwürfe in der Rhythmischen Gymnastik und im Frauen-Kunstturnen, über Jahre immer wieder neue Skandale und Aufreger: Der Schweizerische Turnverband geriet in den letzten Jahrzehnten immer wieder ins Zwielicht. Immer involviert: Ruedi Hediger, zuerst Chef Spitzensport, später sogar Geschäftsführer beim grössten Sportverband im Land.
Nach einer Reihe von Medienberichten wurde der öffentliche Druck im Herbst zu gross. Hediger konnte sich nicht mehr halten, kündigte am selben Tag, an dem Bundesrätin Viola Amherd die STV-Spitze in Bern antraben liess, seinen Rücktritt per Ende 2020 an.
«Hätten massiven Kompetenzverlust riskiert»
Nun wird bekannt: Hediger ist gar nicht weg. Wie die «NZZ» berichtet, bleibt der Ex-Geschäftsführer noch bis Ende August angestellt! Heimlich, still und leise beschäftigt ihn der STV weiter. Die Frage stellt sich: Wie passt das mit dem angekündigten Neuanfang zusammen?
«Wir sind uns bewusst, dass dies nicht unproblematisch ist. Ruedi Hediger ist seit Ende Dezember nicht mehr Geschäftsführer des STV. Das haben wir auch so kommuniziert,» sagt der neue STV-Zentralpräsident Fabio Corti zu Blick.
Als Ende 2020 mit Hediger, Spitzensportchef Felix Stingelin und Cortis Vorgänger Erwin Grossenbacher gleich drei prägende STV-Figuren abtraten, habe man ein Problem gehabt. Und vor allem kaum eine Wahl. «Wir hätten sonst in einer grossen Umbruchphase mit Wechseln auf drei Schlüsselpositionen einen massiven Kompetenzverlust innerhalb des Verbandes riskiert.»
Hediger arbeite an mehreren STV-Projekten, so zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Bau einer neuen Halle für die Rhythmische Gymnastik in Biel, habe aber keine Entscheidungskompetenz mehr. Auch beim Europäischen Turnverband ist Hediger immer noch Vizepräsident. «In dieser Sache haben wir keinen Einfluss», sagt Corti. «Er wurde demokratisch gewählt. Personalentscheide liegen in der Kompetenz des Europäischen Turnverbandes.» Klar ist aber: Der STV wird Hediger für weitere Ämter nicht mehr vorschlagen.
Ethikkommission mahnt
Die Personalie ist eine mehr als heikle Angelegenheit. Das sieht auch der neue Ethik-Hüter des STV so. «Hediger war im STV in einer Zeit in Führungspositionen tätig, in der gravierende Missstände herrschten, die ziemlich konsequent nicht angegangen wurden», sagt Daniel Mägerle, Präsident der neuen STV-Ethikkommission, der «NZZ». «Da kann man sich schon fragen, ob es dem kommunizierten Veränderungswillen entspricht, wenn die operativ hauptverantwortliche Person weiterhin die Verbandsinteressen in internationalen Gremien vertritt.» (eg)