Heute Reck- und Barren-Final an der Kunstturn-WM in Montreal
Fliegt Brägger an die Weltspitze?

Unser Europameister Pablo Brägger steht im WM-Final – schon das ist eine Top-Leistung. Wie hoch fliegt er noch?
Publiziert: 08.10.2017 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:43 Uhr
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Ab 19.00 Uhr fliegen Brägger und Co. heute durch die Luft.
Foto: AFP
Cécile Klotzbach

Von allen Turngeräten ist das Reck die Königsdiziplin. Und Pablo Bräggers Lieblingsdisziplin – was nicht weiter verwunderlich ist. Denn am Reck zu turnen ist extrem und spektakulär. Also genau nach dem Gusto des Schweizer Überfliegers. 

«Das Glücksgefühl nach einer Übung am Reck ist am stärksten», sagt der 24-jährige Kunstturner. Besonders natürlich, wenn sie perfekt gelingt. Wie vor fünf Monaten im rumänischen Cluj, wo Brägger sensationell der erste Schweizer Reck-Europameister seit Jack Günthard wurde. Vor Teamkollege Oliver Hegi übrigens, der Silber nach Hause brachte.

Pablo habe noch heute Hühnerhaut und Schweissausbrüche, wenn er sich seine 57 Sekunden lange Flugshow in Rumänien vor Augen führe. Das kontrollierte Wirbeln um die auf 2,78 Meter Höhe mit Spanndrähten fixierte Metallstange. An der man nur einmal abrutscht oder daneben greift und eine harte Landung garantiert ist. 

Genau dieses Risiko liebt Pablo. Er ist ein Adrenalin-Junkie, der den Gesetzen der Schwerkraft gerne Streiche spielt. Der schon mit dem Fallschirm aus 4000 Meter Höhe gesprungen ist und vom Bungeejumping nach der Karriere träumt, wie er SonntagsBlick vor einem Jahr bei einem Fotoshooting, verkleidet in kompletter Flugmontur der früheren Akrobatik-Flugpioniere, verriet.

Seit damals hat Brägger zu einem stetig ansteigenden Höhenflug angesetzt. Erst brachte er sich und sein Team zu Bronze an der Heim-EM in Bern, dann als erste Schweizer Delegation seit 24 Jahren an die Olympischen Spiele nach Rio. Mit EM-Gold am Reck folgte 2017 der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere – am Zenit will er mit seinem Höhenflug aber nicht angekommen sein. 

Für einen WM-Final hat sich der 1,69 Meter grosse St. Galler vor Montreal noch nie qualifiziert. In Kanada nun schaffte es Pablo gleich dreimal: im Mehrkampf (12. Platz), am Barren (als 8.) und am Reck. An seinem Paradegerät wurde er sogar Zweiter der Qualifikation, knapp hinter dem fliegenden Holländer Epke Zonderland! Gefolgt von Kamerad Hegi auf Rang vier – eine ganz starke Leistung der Schweizer!

Wie hoch kann Brägger noch abheben? Bis an die Weltspitze? Eine WM-Medaille ist realistisch, im Extremfall sogar Gold. Seine Krise hat er scheinbar überwunden. Nach dem Exploit an den diesjährigen Europameisterschaften kämpfte er noch mit der Kehrseite von Erfolg und Ruhm: dem hohen Erwartungsdruck, vor allem dem eigenen. Weg war sie, die Unbeschwertheit. Das offene Lächeln dieses aufgestellten, sympathischen Vorzeige-Athleten wich in der WM-Vorbereitung einer ungewohnten Gereiztheit und Ungeduld. 

«Dieser Prozess ist normal», weiss er heute, nach intensivierter Arbeit mit einem Mentaltrainer. Dieser hat Brägger offenbar eingetrichtert, dass er niemandem mehr etwas beweisen muss. «Einen Traum habe ich bereits im Sack. Ich habe gezeigt, was ich drauf habe, und den perfekten Moment erlebt», sagt er. 

Hühnerhaut, Schweissausbrüche. Wer ein Adrenalin-Junkie wie Pablo ist, der ist dennoch süchtig nach der Wirkung von Glückshormonen und will solche Momente unbedingt wieder erleben. Schon heute kann es soweit sein: bei Pablos Flugshow im WM-Reck-Final!

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