Rad-Olympiasieger Fabian Cancellara übers Triathlon-Debüt
«Vielleicht laufe ich auch mal einen Marathon»

Einer der grössten Schweizer Sportler aller Zeiten hat Muskelkater: Fabian Cancellara über seine Premiere in Spanien als Triathlet, mangelndes Schwimmtraining, nasse Kleider auf dem Velo und sein neues Familienleben.
Publiziert: 05.10.2017 um 14:16 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:45 Uhr
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Beim Triathlon in Rorschach meint Cancellara: «Konditionell bin ich nicht schlecht.»
Foto: KEYSTONE
Matthias Dubach aus Gava

Ein Doppel-Olympiasieger als Neuling auf der olympischen Triathlon-Distanz. Was tut Ihnen nach der Premiere am meisten weh?

Fabian Cancellara: Die Knie. Das Joggen auf dem Asphalt ist schon extrem mit den Schlägen auf den Körper. Das ging an die Substanz. Konditionell bin ich nicht schlecht, aber ich schleppe ja doch ein paar Kilos mit.

Mehr als früher?

Ich habe wieder etwas abgenommen, es sind nun knapp 90. Bei den Spielen in Rio waren es noch 78, 79 gewesen. Mehr abnehmen habe ich aber nicht vor. Ich achte nun wieder etwas mehr auf meine Ernährung, das reicht. Ich will einfach vital und fit sein.

Das hört sich nicht nach grossen Triathlon-Ambitionen an.

Die Rangliste (Platz 69 von rund 2000 Teilnehmern, d.Red.) hat mich nicht interessiert, es ging nur um den Spass. Die olympische Distanz mit 1,5 km Schwimmen ist für mich eigentlich zuviel. Zumal ich wegen der Quallen im Wasser völlig aus dem Konzept gekommen bin. Und am Muskelkater bin ich auch selber schuld, ich war einfach zu wenig go secklä!

Nach dem Rücktritt wäre Zeit da, mehr zu trainieren?

Ja, aber ich geniesse es jetzt, nicht mehr trainieren zu müssen. Jetzt darf ich. Ich will mich im Triathlon nicht in Szene setzen. Das ist nicht meine zweite Karriere.

Was dann?

Es sind verschiedene Aspekte. Einerseits das «Win4Youth»-Projekt mit Adecco, das in Spanien mit der Teilnahme am Triathlon endete. Ich war «Godfather» des Projekts, eine Art Motivator für 70 Adecco-Angestellte, die ihren ersten Triathlon absolvierten. Andererseits habe ich die Tristar-Serie mit der kurzen Distanz, bei der ich auch Teilhaber bin und in Rorschach teilgenommen habe.

Sehen wir Sie nun regelmässig als Triathlet?

Das ist nicht geplant. Ich habe mitgemacht, um es selber erleben zu können. Jetzt weiss ich was es heisst, diese drei Disziplinen hintereinander zu absolvieren. Ich wollte hinter die Kulissen blicken.

Sie waren weder in Rorschach noch in Spanien auf dem Velo der Schnellste!

In Rorschach musste ich etliche Leute auf dem Velo zusammenlesen, weil es kalt war. Ein Belgier war richtiggehend am Erfrieren. Ich habe Passanten organisiert, die ihn an die Wärme nehmen konnten, bis die Ambulanz vor Ort war. Ich habe mich verantwortlich gefühlt, obwohl sie an der Unterkühlung selber schuld waren.

In Spanien war es warm.

Dort ging es nicht um mich. Es ging um unsere Gruppe, ich habe immer wieder abgebremst und habe die anderen Athleten ermutigt, weiterzukämpfen. Ich wollte ihnen das Gefühl geben, dass alle beissen müssen. Ich kenne das von mir: 2013 habe ich Paris-Roubaix gewonnen, obwohl alle gegen mich gefahren sind. Aber ich realisierte, dass die anderen genauso leiden. Das gab mir neuen Mut.

Wie reagieren andere Triathleten, wenn sie auf der Radstrecke den Olympiasieger entdecken?

Es gibt schon welche, die mich erkennen und dann versuchen dranzubleiben. Aber das gibt’s auch auf Trainingsfahrten daheim. Aber ich fahre nicht schneller, nur weil mich einer überholt. Es ist doch schön, wenn sie nachher zu Hause etwas zu erzählen haben (schmunzelt).

Wie fährt sich das Rad in klatschnasser Montur nach dem Schwimmen?

Ich hatte am Anfang komische Beine auf dem Velo! Es ist extrem ungewohnt, aus dem Wasser zu kommen, die ziemlich weite Strecke zum Velo zu rennen und loszufahren. Ich habe mir die Zeit genommen, wenigstens Socken anzuziehen. Ich bin anfällig für Blasen an den Füssen.

Ist der Ehrgeiz von früher wie weggeblasen?

Vielleicht kommt er irgendwann zurück. Aber ich suche es nicht. Ich habe zuviel anderes, wo ich mich darauf konzentrieren kann. Ich will einfach etwas für meine Fitness tun, ich will meine Energie loswerden.

Keine Absichten, wie ihr Ex-Kollege Laurent Jalabert in Hawaii beim Ironman dabei zu sein?

Das kann ich nicht sagen. Aber momentan habe ich null Ambitionen. Vielleicht laufe ich eher mal einen Marathon. Aber ich will nach dem Rücktritt auch einfach mehr Zeit für mich haben. Es gibt Momente, da wäre ich gerne etwas anonymer unterwegs. Ich werde zum Beispiel beim Einkaufen immer noch beobachtet oder angesprochen, obwohl ich keine Rennen mehr gewinne. Die Gesellschaft kann dir Energie rauben. Man muss sich abgrenzen.

Stehen Sie deshalb seit dem Rücktritt relativ selten in der Öffentlichkeit?

Ich bekomme viele Anfragen für Auftritte. Aber ich sage vieles ab, auch wenn mir das Nein-Sagen schwer fällt. Wenn ich etwas mache, muss es gut und authentisch sein wie diese Triathlon-Geschichten. Ich muss immer entscheiden, wann ich Cancellara Fabian bin und wann der «Fäbu».

Ist das Familienleben wie erhofft besser geworden?

Es ist einfach anders geworden. Ich bin mehr daheim, das bedeutet mehr Lebensqualität. Aber die Adaption ans neue Leben brauchte mehr Zeit, als ich dachte. Da fehlt mir noch die letzte Meile.

Was heisst das?

Du musst manchmal in den sauren Apfel beissen. Ich will abends, wenn ich heimkomme, für die Familie da sein, auch wenn ich ab und zu müde bin. Giuliana ist jetzt in der 5. Klasse, Elina im Kindergarten. Das sind wichtige Jahre, ich will für diese Aufgaben präsent sein.

Sie helfen auch bei den Hausaufgaben?

Das dürfen wir nicht, nur Tipps sind erlaubt. In der 5. Klasse sollen sie selbstständiger werden. Aber sie haben Sachen, da muss ich sagen: Frag doch besser die Lehrerin…

Bereuen Sie in solchen Momenten den Rücktritt?

Nein, nein! Ich bereue nichts. Es ist gut, so wie es ist.

Cancellara als «Win4Youth»-Pate

Ex-Rad-Star Fabian Cancellara war dieses Jahr das Aushängeschild der weltweiten «Win4Youth»-Kampagne der Adecco-Gruppe. Seit 2010 werden dabei Trainingskilometer von Kunden und Angestellten gezählt und danach in eine Sammelspende für sechs Stiftungen umgewandelt, die sich um die Integration von benachteiligten Jugendlichen und deren Familien in den Arbeitsmarkt kümmern. 70 ausgewählte Adecco-Group-Mitarbeiter bewältigten zudem ein viermonatiges Vorbereitungsprogramm mit Cancellara als Motivator, um als Abschluss in Spanien am olympischen Triathlon teilzunehmen. 

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