Mehr als 80 Nächte ist es her, seit Nicola Spirig das letzte Mal durchschlafen konnte. Beklagen will sie sich nicht. Im Gegenteil: Die Triathlon-Olympiasiegerin von 2012 ist nach der Geburt von Töchterchen Malea Lexi Ende Mai rundum glücklich. «Es ist wunderschön, wir geniessen es sehr, eine Familie mit neu vier Mitgliedern zu sein», sagt Spirig, während im Hintergrund Ehemann Reto Hug mit Sohn Yannis (4) spielt.
Anstrengend ist das vergrösserte Familienleben für Spirig natürlich trotzdem. Vor allem dann, wenn noch ein Wettkampf ansteht wie am letzten Sonntag. Da gibt die 35-Jährige in St. Moritz ihr Comeback – nur elf Wochen nach der Geburt ihres Babys! «Es war richtig hart. Aber das ist normal. Ich stille noch, habe bewusst noch nicht mein Wettkampfgewicht und leide etwas unter Schlafmangel», so Spirig.
Dass sie den Duathlon gleich gewinnt, erwähnt sie nicht. Viel lieber blickt die Zürcherin nach vorne. «Es wäre schön, wenn ich im Herbst wieder eine so gute Fitness hätte, dass ich auch noch einige internationale Wettkämpfe machen könnte», sagt sie. Das Problem dabei ist, dass in Europa kaum noch Events anstehen. «Und weit weg will ich in diesem Moment natürlich nicht», ergänzt sie. Einige Wettkämpfe hat Spirig trotzdem bereits ins Auge gefasst – unter anderem den Super League Triathlon auf der Kanalinsel Jersey (Gb, 23. September).
Unter Stress setzt sich Spirig aber nicht. «Vor vier Jahren bei Yannis war es viel turbulenter, etwas chaotisch, dazu arbeitete Reto noch zu 100 Prozent», erinnert sich Spirig. Geklappt hats trotzdem, wie wir längst wissen – die «Swiss Miss» holt als Mami in Rio 2016 Silber.
Situation entspannter
Heute ist die Situation viel entspannter. «Tokio 2020 ist mein Ziel, aber ich kann es lockerer angehen lassen als beim ersten Kind.» Ist wirklich nichts anders? «Nicht viel. Die Familie hat weiterhin Priorität. Aber die Erfahrung hilft. Ich geniesse es bewusster als früher, ein Baby zu haben.»
Letztlich beruhigt es Spirig, dass ihr Comeback als Mama schon einmal glückte. Und es macht sie optimistisch – auch in Bezug auf Tokio. Es wären ihre fünften (!) Olympischen Spiele. Das schaffte noch keine Triathletin vor ihr. «Wenn es geht und für die Familie stimmt, wäre ich dann gerne dabei», sagt sie.
Fragezeichen gebe es aber noch viele. Das vielleicht Grösste: Yannis kommt Ende August in den Kindergarten. Spirig: «Eine grosse Veränderung. Früher konnten wir oft alle zusammen herumreisen, wir waren also sehr flexibel. Das wird sich nun ein bisschen ändern.» Umso wichtiger werde es künftig, ihre weitere Karriere gut zu planen und zu organisieren.
Angst hat Spirig davor nicht. Im Gegenteil: Herausforderungen spornen sie an. Nach ihrem Unfall kurz vor Rio musste sie ihren gesamten Trainingsplan umstellen – und holte Silber. Längst muss die Super-Triathletin nichts mehr, sie darf nur noch. Zum Schluss die Frage: Ist die Familienplanung mit Yannis und Malea Lexi nun eigentlich abgeschlossen? Spirig muss schmunzeln: «Wir lassen es offen. Jetzt geniessen wir erst einmal unsere zwei Kinder!»