«Gratulation zu zwei spanischen Weltranglisten-Leadern!» Wer das sagt, erntet nur ein müdes Lächeln von iberischen Tennis-Experten. Nadal – na klar, der (noch) 15-fache Grand-Slam- und 10-fache French-Open-Rekordsieger ist sowieso der Beste, das wissen wir schon lange. Aber Muguruza? Die ist ja eigentlich gar keine Spanierin.
Als sich die in Caracas geborene Tochter einer Venezolanerin und eines Basken vor rund zwei Jahren entschied, für Spanien zu spielen, wurde das im Land knapp zur Kenntnis genommen. Viel grösser war die Aufmerksamkeit dann, als ein halbes Jahr später die Meldung erfolgte, sie sei nach Genf umgezogen.
«Es war nicht die Tatsache, dass sie – wohl wegen niedrigerer Steueransätze – in die Schweiz zog. Es war der Zeitpunkt!», nervt sich eine erfahrene Reporterin der Zeitung «Diario Sport» noch heute. «Hätte sie anstandshalber nicht noch ein Jahr mit dem Auswandern warten können? Sie war ja gerade erst Spanierin geworden!» Noch dazu wurde diese Tatsache in der dritten Runde von Roland Garros 2016 publik – vier Runden, bevor Muguruza ihren ersten Grand-Slam-Titel gewann. Ein ungünstiger Moment für alle Patrioten, die mit ihren National-Helden schwelgen möchten.
Seitdem ist die 1,82m-grosse, 23-jährige Brünette in ihrer Nicht-Wahlheimat unten durch. Sie sei eingebildet, arrogant, fände sich selbst zu toll, zu gut und zu schön. Dass der neue Status als Weltranglisten-Erste der zugegebenermassen nicht schlecht aussehenden Muguruza jetzt noch recht gibt, wird im spanischen Blätterwald nur zähneknirschend kund getan.
Ganz anders der geliebte «Rafa». Ein Herzblut-Spanier, der seiner persönlichen Trauminsel Mallorca niemals untreu würde. In seinem Geburtsort Manacor lebt er noch heute, trainiert in seinem Heimatclub, macht am liebsten Ferien an seinem Heimatstrand und ist noch mit seiner Jugendfreundin Xisca aus dem gleichen Ort liiert. Der hat sein Herz am rechten Fleck! Wenn das nicht eine würdige Weltnummer 1, ein würdiger Botschafter für «la naçion» ist!
Dazu kommen Nadals bescheidener Charakter und seine bodenständige und nahbare Art. Er habe vor allem etwas mit Roger Federer gemeinsam, schwärmt die gleiche Reporterin: «Ob als junger Newcomer oder als Superstar – er ist der gleiche geblieben. Als mein Vater starb, schrieb Rafa mir sogar ein Beileids-SMS aus Australien. Und als er mich danach erstmals sah, tröstete er mich.»
Für sie und ganz Tennis-Spanien ist Nadal deshalb sowieso für ewig die Nummer 1 der Herzen. Nicht nur auf dem Papier – wie Muguruza.